Orange, November 2023

 

Zwei Jahrtausende machen den Unterschied. Vor rund 2000 Jahren, ab dem frühen 1. Jahrhundert n.Chr., eroberten Dichter und Schauspieler, Zirkusartisten und Pantomimen die Bühne in dem römischen Theaterbau in Orange und präsentierten ihre Kunst, ihr Können. Dank der hervorragenden Akustik war jedes Wort noch auf den höchsten Rängen zu hören. Heute, in der Ruine des antiken Theaters, geistern dagegen Lichter und Bilder über die Bühnenwand und die Besucher tragen modernste Kopfhörer, um eine akustische und visuelle Lichtshow zu erleben. Willkommen im 21. Jahrhundert.
L'Odyssée sonore (Die klingende Odyssee) heißt dieses nächtliche Kulturabenteuer, das mit großen Worten beworben wird: „Sie werden durch wunderbare und fantastische Landschaften reisen und Gottheiten und mythologischen Figuren begegnen. Dieses monumentale Videomapping, das auf das gesamte antike Theater projiziert wird, wird von einem unvergleichlichen Eintauchen in den Klang begleitet, dank eines räumlichen und geolokalisierten High-Definition-Audiokopfhörers. Sensationen und Gänsehaut garantiert!“, so die Ankündigung. Ein Vergnügen, das wir uns nicht entgehen lassen wollten.

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Also trudeln wir rechtzeitig zu unserem reservierten Termin vor dem antiken Bau ein. Geduld wird dann allerdings noch gefordert – von der Einlasskontrolle über die Kopfhörer-Ausgabe bis zum Beginn der Show vergehen fast eine dreiviertel Stunde, von der wir viel Zeit sitzend auf dem kalten Stein der Arena verbringen. Immerhin: Das antike Theater ist schon für sich ein Erlebnis. Eines der schönsten Vermächtnisse der Römer in Südfrankreich. Ein Ort der Geschichte. Unter Kaiser Augustus erbaut für die schönen Künste, konnten früher an die 10 000 Zuschauer in dem Halbrund Platz nehmen.

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Von den Säulen, Marmorplatten und Statuen, die die riesige, 103 Meter lange und 37 Meter hohe Bühnenwand eins schmückten, ist heute allerdings nicht mehr viel zu sehen. Schon im vierten Jahrhundert wurde das Theater geplündert und als Steinbruch benutzt. Während der Hugenottenkriege im 16. Jahrhundert diente es als Zufluchtsort, während der Französischen Revolution als Gefängnis. Erst im 19. Jahrhundert machte man sich an die Renovierung. Heute gilt der Bau als eines der besterhaltenen antiken Theater Europas und wurde in den Rang des UNESCO-Weltkulturerbes erhoben. Und es dient wieder der Kunst, beherbergt ein alljährliches Opernfestival und hat schon vielen großen Künstler wie Sarah Bernhardt, Placido Domingo oder David Guetta eine Bühne gegeben.

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Darüber kann man nachsinnen, während man auf den Showbeginn wartet. Und endlich meldet sich eine Stimme über den Kopfhörer und begrüßt die Zuschauer. Die Bühnenwand wird nun tatsächlich zur Leinwand für eine großartige Lichtershow. Wälder und Pflanzen, Formen und Gesichter, Götter- und Musenbilder, Kreise und geometrische Formen bauen sich auf, gehen ineinander über. zerfließen.

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Die Lichter tanzen durch das ganze Theater. Plötzlich läuft der Schatten eines Pferdes über die Sitzreihen, der Schatten einer Gans klettert über die Bühnenwand. Dann wieder schlängeln Linien auf dem Boden und locken vor allem die kleinsten Besucher: Die Kinder versuchen immer wieder, in die plötzlich im Boden sich auftuenden Kreisel zu springen.

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Als Zuschauer ist man aufgefordert, den ganzen Raum, auch klanglich, zu erkunden, die Lichtershow auf der Bühnenwand aus der Nähe und dann wieder von den höheren Rängen aus zu beobachten, was allerdings nicht so einfach ist, denn im Dunklen sind die ausgetretenen Stufen und Stolperfallen im Zuschauerrund schwer zu erkennen. Über den Kopfhörer wechselt die Musik – mal klassisches Orchester, mal moderne Elektrosounds. Aber ist die Musik mal lauter, mal leiser, je nach Standort? Ehrlich gesagt hat keiner von uns erkennbare Unterschiede wahrgenommen.

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Eine dreiviertel Stunde lang dauert das Spektakel, das erstmals vollständig durch künstliche Intelligenz erschaffen wurde, so die Ankündigung. Am Ende haben wir tatsächlich die versprochene Gänsehaut, denn wir sind an einem der ersten kalten Herbstabende in der Provence richtig durchgefroren. Und – ja- wir sind auch beeindruckt. Aber nicht so ergriffen, wie wir es uns vielleicht vorgestellt hatten. Denn tatsächlich ist in der Provence die Konkurrenz mit anderen multivisuellen Lichtshows groß - in L’Isle-sur-la-Sorgue findet zum Beispiel immer zur Weihnachtszeit ein großartiges und kostenloses Licht- Musik-Spektakel im Parc Gautier statt. Und wer schon mal im alten Kalksteinbruch von Les Baux, in den Carrières des Lumières, die jährlich wechselnden Multimedia-Installation erlebt hat, der kann sich wahrscheinlich alle anderen Shows dieser Art schenken…

Wer Lust hat, das noch mal nachzulesen: 

https://monika-sendker.de/reisegeschichten/23-dfkjasdfksjdoes

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