Weinmesse in L'Isle sur la Sorgue, September 2022

 

Französische Supermärkte bieten immer wieder neue Erlebniswelten. Jetzt, nach den großen Ferien, verwandeln sie sich gerade in riesige Weinkeller. Die Weinwochen sind feste Termine im Jahreskalender. Nach den dürren Sommermonaten hat der Handel offensichtlich entdeckt, dass mit Wein gute Geschäfte gemacht werden können. Schon Wochen vorher sind die Werbebroschüren, in denen sonst die wöchentlichen Angebote präsentiert werden, auf reine Weinkataloge getrimmt. Und dazu flatterte uns - als Besitzer eine viel genutzten Kundenkarte - nun die Einladung zu einer „privaten“ Weinmesse am Vorabend der Weinwochen im „Intermarché“ in den Briefkasten. Warum also mal nicht Wein im Supermarkt verkosten?

Während die normalen Kassen für den Kundenbetrieb um 20 Uhr schließen, marschieren wir mit unseren Einladungskarten wedelnd durch die Sperre. Die Herren im Security-Anzug interessieren sich kein bisschen für uns. Gleich hinter dem Info-Tresen des Supermarkts, wo sich sonst auf den wöchentlichen Angebotstischen Toilettenpapier in XXL-Verpackungen, Spülmaschinentabs und Sonnenmilch zum Sonderpreis präsentieren, stapeln sich nun mit Plastikweinlaub dekorierte Weinkisten und Weinfässer im grellen Licht. Riesengroße Traubenattrappen hängen von der Decke. Weinflaschen, wohin man sieht. Und in den schmalen Gängen zwischen den Weinregalen wandeln fröhliche Menschen mit einem Glas Wein in der Hand.

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Hatten wir den Start verpasst? Eine Rede gab es jedenfalls nicht. Und auch keinen Startschuss für das Buffet: Auf zwei langen Tischen stehen riesige Teller mit kleinen Häppchen. Würstchen im Schlafrock, zu appetitlichen Bissen geschnitten, Brot und Schinken, Salamischnitten, Käsewürfel und Pizzableche. Und: große Schüssel mit Austern auf Eiswürfeln! Lag es an der allgemeinen Abendessenszeit oder daran, dass alle geladenen Kundenkartenbesitzer erst einmal etwas im Magen brauchten, bevor sie dem Wein zusprechen wollten: Die Buffettafeln waren eng umlagert.

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Das Motto der Weinmessen: Große Weine zu kleinen Preisen. Und es gibt wirklich ein paar tolle Schnäppchen und Grands Crus auch für kleinere Geldbeutel. Das Sortiment der „Foires aux Vins“ ist speziell für diese Wochen ausgearbeitet. Nicht nur mit Billigwein, nicht nur mit dem üblichen Angebot, sondern mit vielen guten Tropfen zu besonderen, wenn auch nicht immer verbilligten Preisen. Doch die muss man erst mal finden! Der Handel, so habe ich gelesen, hat schon mal im September und Oktober mit den Weinmessen 40 Prozent des Weinumsatzes eines ganzen Jahres eingebracht. Und: Vier von zehn Franzosen kaufen ihren Wein nicht beim Winzer, sondern im Supermarkt. Weshalb selbst Discounter wie Lidl in Frankreich inzwischen Weinwochen veranstalten. Rund 44 Liter Wein verkonsumiert der Franzose im Durchschnitt jährlich. Das ist weit weniger als in früheren Jahren, im Jahr 2000 lag der Durchschnitt noch bei 71 Litern. Weniger, aber dafür qualitätsvollere Wein, das ist der Trend. Ein Phänomen, das ein Analyst mit einer „Demokratisierung hochwertigen Weins“ erklärt. Zum Vergleich: 2020/21 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch von Wein in Deutschland 20,7 Liter – und ist seit der Jahrtausendwende nahezu konstant.

WeinprobeimSupermarkt

Während draußen im Land gerade die Weinlese im vollen Gange ist, degustieren wir also an diesem Abend nach einigen Würstchen im Schlafrock-Häppchen schöne Tropfen aus der Region. Die Gäste des Abends sind alle gut drauf. So manches bekannte Gesicht ist dabei, wohl Mitarbeiter aus dem Intermarché. Drei Winzer aus der Region haben ihre Produkte auf Weinfässern aufgebaut und laden zum Probieren ein. Rotwein, Weißwein, Rosé, eher günstig oder hochpreisig - bei jedem Wunsch zieht der Winzer eine Flasche aus seinem Sortiment und kann etwas dazu erzählen. Wir stoßen mit Freunden an und amüsieren uns: Wann hat man schon mal neben den Regalen für Putzmittel und Tierfutter Rotwein gekostet?! Ob wir mal etwas wirklich Feines probieren wollen, fragt der Weinexperte und wischt sich die Hände an seiner Schürze. Er lässt uns einen Pomerol, ein Château Beauregard, kosten. Mmmmh! Keine Frage, da sind wir nun in einer anderen Qualitäts-Liga gelandet! Nur noch fünf Flaschen sind da, sagt der Mann. Ok, es gibt besondere Momente im Leben, die vielleicht einen besonderen Wein benötigen: Also sichern wir uns zwei Flaschen. Und ungeprüft legen wir danach noch einige Flaschen Sauvignon-Blanc in unseren Einkaufswagen. Ein Sauvignon-Blanc aus der Bourgogne, das sei etwas ganz Besonders, „atypique“, hatte uns die Verkäuferin zuvor verschwörerisch zugeraunt.

Es geschieht das, was immer an solchen Abenden passiert. Als erstes ist das Buffet abgeräumt. Dann packen irgendwann auch die Winzer ihre letzten Flaschen ein. Im grellen Supermarkt-Licht sieht der sich leerende Platz ziemlich traurig aus. An der Kasse blicken wir auf unsere Schätze. Ja, wir haben uns in der fröhlichen Stimmung des Abends tatsächlich etwas hinreißen und verführen lassen! Aber wir freuen uns schon auf die besonderen Momente im Leben, wenn wir diese Flaschen öffnen.

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