L'Isle sur la Sorgue, 21. Juni 2022

 

Musik ist eine universelle Sprache. Sie drückt aus, „was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist“, sagte der französische Schriftsteller Victor Hugo (1802-1885) so schön. Einmal im Jahr findet seit 40 Jahren die Musik in Frankreich und inzwischen auf der ganzen Welt ein besonderes Sprachrohr: das Fête de la Musique. Das Prinzip ist einfach: Zur Sonnenwende an jedem 21. Juni füllen sich überall in kleinen und großen Städten die Straßen mit Musik aller Art, mit der die Menschen am längsten Tag des Jahres den Sommer, das Leben - und eben die Musik feiern. Und weil dieses kulturelle Highlight coronabedingt in den beiden letzten Jahren ausfallen musste, gab es jetzt offensichtlich einen besonders großen Nachholbedarf.

In L’Isle sur la Sorgue packen ab 18 Uhr die ersten Amateur- und Berufsmusiker ihre Instrumente aus. Im kleinen Park gegenüber der Post stellt sich das örtliche Musikorchester in Position. Wenige Schritte weiter, vor den Restaurants am Quai Jean Jaurès, erhebt ein Tenor seine Stimme. Seine Opernarien wehen mit dem leichten Wind durch die Gasse, während die Kellner die Tische für den Abend decken. Und auf dem Platz vor der Kirche probt noch eine Rockband für ihren Auftritt. Im Parc Gautier ist eine Tribüne mit vielen Bänken aufgebaut: Dort animieren die Tänzer von „Planète Rock“ trotz Temperaturen von über 30 Grad mit Rock‘n‘Roll-Formationen die Zuschauer schon früh zum Mittanzen.

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Am Eingang des Parks dagegen wird es leise und getragen, drei Gitarristen finden mit barocken Klängen vor allem ein älteres Publikum, das andächtig zuhört.

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Die Idee, an einem Tag im Jahr Musik aller Stilrichtungen gratis mit einem Fest auf den Straßen, Plätzen und Parks, in Kneipen und Bars zu zelebrieren, geht auf eine Initiative des damaligen Kulturministers Jack Lang von 1982 zurück. Für die Menschen ist es die Gelegenheit, Musik in der ganzen Bandbreite zu entdecken. Und für die Musiker ist es eine Chance, sich vor Publikum zu präsentieren. Als ein kleines Fest begann es also in Paris, doch die Idee zog aus, über alle Grenzen hinweg, und wird heute in vielen Städten weltweit und auf allen Kontinenten gefeiert.

In Frankreich gehört zur Musik natürlich die Geselligkeit. Essen und Trinken. Überall haben die Restaurants die Tische nach draußen gestellt und lange Tafeln aufgebaut. Zum Essen bieten sie eigene musikalische Animationen, DJs stehen in der ganzen Stadt an ihren Mischpulten. Die großen Straßen rund ums Zentrum sind an diesem Abend für den Autoverkehr gesperrt. Ein ganz anderes Lebensgefühl macht sich plötzlich an jeder Ecke breit.

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Wir werfen uns nach einer Pizza in einer Trattoria ins Gewühl. So langsam wird es dunkel, die Bühnen sind hell erleuchtet. Auf einigen Häusern erscheinen Laserprojektionen, tanzende Lichtfiguren, die sich zum Takt der Musik bewegen.

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In der Rue de la République veranstalten johlende Kinder ein Schaumparty. Vor der Kirche haben inzwischen Musiker in Kilts die Bühne geentert, eine schottische Band mit Akkordeon spielt keltische Folkmusik und die Menschen, die vor dem Café de France und der benachbarten Eisdiele sitzen, wiegen sich dazu im Takt. Die letzten Klänge, die um die Ecke wehen, vermischen sich mit der Rock‘n‘Roll-Musik eines DJs, im roten Flutlicht tanzen die Menschen auf der Straße. Der Schweiß fließt. Viele Tänzer von „Planète Rock“ sind auch wieder dabei.

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Noch voller ist es auf dem Platz hinter der Police Municipale, wo ein Discjockey aktuelle französische Popmusik spielt. Hübsche junge Mädchen, nabelfrei mit schmalem Top, singen die Texte mit. Es gibt kaum noch ein Durchkommen, Menschen drängen, tanzen, singen – alle ohne Maske, alle eng beieinander. Die Zeiten haben sich wieder verändert.

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Wie eine musikalische Dunstglocke liegt die Musik an diesem Abend über den Dächern der Stadt. Mal lauter, mal leiser, an jeder Ecke anders, immer mitnehmend. Auf dem Weg zum Parkplatz werden die Töne leiser. Die letzte Stimme aus dem Lautsprecher, die uns wehmütig begleitet, ist Edith Piaf, „non, je ne regrette rien“… Musik sagt eben mehr als tausend Worte.

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