Im Maison Empereur in Marseille, April 2022
Ein Bild sagt oft so viel mehr als alle die Worte, die nur Versuche sind, die Wirklichkeit in Begriffe zu fassen. Wie wundersam ist doch die Erfindung der Fotografie! Und so könnte ich an dieser Stelle auch einfach die Bilder sprechen lassen von einem Besuch in einem herrlichen Geschäft in Marseille. Was heißt Geschäft? Das „Maison Empereur“ ist eine Erlebniswelt für sich, die sich – wie gesagt – nur schwer beschreiben lässt.
Eine Freundin gab den Tipp: Wenn ihr in Marseille seid, sollten wir mal in das tolle Haushaltswarengeschäft gehen, ins Maison Empereur. Haushaltswaren, das trifft es wohl auch… Wenn man durch die Eingangstür in den ersten Verkaufsraum kommt, sieht man erst mal Töpfe, rote, grüne, gelbe, blaue, die sich auf Holztischen stapeln und Pfannen, die von der Decke hängen. Doch schon einige Räume weiter ist man in der Drogerie, dann im Baumarkt, in der Eisenwarenhandlung, in der Boutique. Es gibt viele Bezeichnungen, die das Maison Empereur beschreiben wollen. Man muss sich wohl einfach selbst ein Bild machen.
In hölzernen Regalen liegen Auflaufformen, Zitruspressen aller Art, Mörser, Waagen. Auf ausgetretenen Holzbalken laufen wir von einem Raum zum nächsten durch das verwinkelte Kaufhaus. Weiter geht es in eine Art Werkstatt mit großen Holzschränken und unzähligen Schubladen für Kleinmetallenes. Korbgeflechte stapeln sich, Toilettenpömpel hängen an einer Tür. Wo soll man anfangen, wo aufhören…?
Emailleschilder und Schrankknöpfe, Seifen in Stangen und Handtücher von der Rolle, Bürsten, Lampen und Lampenschirme, Knöpfe und Werkzeug aller Art, Staubwedel, Teppichklopfer, Messer, Fleischwölfe, Holzwäscheklammern, Plätzchenausstecher, schwedische Clogs und Stiefelknechte, Holzpolitur, Blechautos und Puppenstuben, Kindergeschirr…
Das Maison Empereur ist eine Art französisches Manufactum, ein Universum für viele Schätze, die es heute schon längst nirgendwo mehr zu kaufen gibt. Dort kann man so seltsame Dinge entdecken wie eine Bürste zum Reinigen von Steckdosen oder einen Topf zur Milchsäuregärung.
Über 50 000 Produkte auf 1300 Quadratmeter verteilt, über 200 historische Manufakturen stehen auf der Lieferliste. 30 Angestellte leiten die Kunden – oder sind es Besucher? - und wissen auf alle Fragen eine nette Antwort. Auf die Frage, ob ich mit dem Handy ein paar Fotos machen kann, schüttelt die nette Verkäuferin allerdings mit dem Kopf und zeigt auf ein Schild: Fotografieren nicht erlaubt. Im Maison Empereur muss man sich die Bilder im Kopf mitnehmen.
„Allgemeine Drogerie seit 1827“, so steht es auf der Homepage des Geschäftes: Schon vor fast 200 Jahren hat François Empereur, ein Schneidwarenhersteller und Nagelschmied, die erste Schmiede gegründet, die zum Ausgangspunkt des Unternehmens wurde. Denn in der Hand der Familie Empereur befindet sich das Unternehmen heute immer noch, in siebter Generation. Francois übergab das Ruder an Louis, ihm folgte sein Sohn Alfred, der es seinem Schwiegersohn Paul Renaux übergab, der wiederum an Roger… Das Handelshaus zog um, vergrößerte sich, integrierte verschiedene Werkstätten, einen Eisenwarenhandel, die Fertigung von Beschlägen. In Frankreich gilt das Maison Empereur heute als die älteste Eisenwarenhandlung des Landes. Mit Laurence Renaux-Empereur führt inzwischen erstmals eine Frau die Geschäfte. Auf jeden Fall ist der Besuch eine Zeitreise für sich.
Neben den Verkaufsräumen gibt es die musealen Bereiche: In einer altertümlichen Teestube kann man an alten Tischen einen Kaffee trinken und in Vitrinen Historisches studieren. In der Spielzeugabteilung sind alte Kindersachen hinter Glas ausgestellt. Nicht zu vergessen ein ganz besonderes Angebot, das diese Institution in Marseille bereithält: Wer mag, kann in einem Appartement wie anno dazumal über dem Geschäft übernachten, für 170 Euro die Nacht – und ganz im Flair der guten alten Zeit.
Treppauf und treppab führt der Weg, von einem Zimmer zum nächsten, um Ecken und Winkel, und schnell verliert man die Orientierung. Dabei hatten wir gar nicht mit mehreren Verkaufsräumen gerechnet, als wir durch die Eingangstür traten. Gefühlt einige Stunden später treten wir wieder auf die Straße und staunen nicht schlecht: Der Ausgang ist eine ganze Straßenecke weiter! Wir haben uns durch einen ganzen Gebäudekomplex geschlängelt und dabei auch andere Geschäfte überquert.
Und dass die Bilder aus dem Maison Empereur dennoch für sich sprechen können, liegt an der netten Kommunikationsmitarbeiterin, die mir auf meine Anfrage hin gleich jede Menge Anschauungsmaterial zuschickte. Und so sehe ich auf den Fotos selbst noch viele Dinge, die ich im Vorbeigehen glatt übersehen habe.
(Maison Empereur, 4 Rue des Rlédolettes, 13001 Marseille, im Internet: www.empereur.fr) Fotos: @fredtchalekian und Maison Empereur