Auf dem Sonntagsmarkt von L'Isle sur la Sorgue, Februar 2022

 

Es duftet nach Lavendel und frischen Kräutern. Nach Gewürzen und Olivenöl, nach Brathähnchen und frischem Kaffee. Und es duftet nach Mimosen. Die Arme voll der goldgelben Blütenpracht, kommen uns die Menschen an diesem Sonntagmorgen auf dem Markt in L’Isle sur la Sorgue entgegen. Goldgelb wie die Sonne, die am blauen Himmel strahlt. Und während in der Ukraine die Menschen um ihre Freiheit und um ihr Leben kämpfen, genießen die Menschen auf dem Markt zur gleichen Zeit ganz unbekümmert ihre neue Maskenfreiheit. Wie passt das zusammen?

Ja, manchmal fühlt man sich wie aus der Welt gefallen. Aber so ist das: Die Bilder und Nachrichten, vor denen man nicht fliehen kann, hat man im Kopf, und drumherum geht das Leben trotzdem wie gewohnt weiter. Das Leben… – es spielt immer auf der ganzen Klaviatur der Gefühle. Trauer und Glück liegen da nur wenige Tasten auseinander.

Die Energien pulsieren wieder, es wird Frühling, seiner Schönheit kann man sich schwer entziehen. Und die Mimosen gehören zu seinen ersten Boten. So flauschig sind die vielen kleinen Pompons und so zart der süße, honigähnliche Duft, den sie ausströmen! Na ja, streng genommen sind es die „falschen“ Mimosen, auch wenn sie in Frankreich so genannt werden: Im Gegensatz zu den echten Mimosen, im Volksmund Rühr-mich-nicht-an genannt, handelt es sich bei den falschen eigentlich um Silberakazien. Das Blattwerk beider Pflanzen ist sich sehr ähnlich. Doch während sich die Blätter der echten Mimose – ganz mimosenhaft – schon auf eine leichte Berührung hin empfindlich zusammenziehen, zeigen sich die Silberakazien davon gänzlich unberührt. Allerdings ziehen sich die Wattebüschel der Blüten nach dem Pflücken schnell zusammen und welken in der Vase zusehends dahin. Ein kurzer Zauber. Schönheit ist vergänglich.

Mimosen

Der provenzalische Markt ist an jedem Sonntag ein Fest der Sinne. Und wie zur sommerlichen Ferienzeit beginnt dieses Fest bereits jetzt mit der Suche nach einem Parkplatz. Alles wie immer. Die Stadt ist voller Menschen, auch wenn noch nicht alle Stände wieder da sind. In großen, hölzernen Schalen glänzen die schwarzen und grünen Oliven in der Sonne, sie sind mit Kräutern, Knoblauch oder Zitronen mariniert. Lavendelsäckchen und Rosmarinseifen, farbenfrohe Tischdecken und Handtücher, modische Handtaschen und bunte Armbänder liegen auf den Tischen. Verkäufer verteilen Brotscheiben mit Marmeladen und Tapenaden zum Kosten, an anderen Ständen kann man Käse und Salami probieren. Die ersten frischen Tomaten sind schon zu kaufen!

Wer seinen Sonntagseinkauf erledigt hat, macht sich auf die Suche nach einem freien Platz in den vielen Cafés und Restaurants entlang der kleinen Gässchen, die den Markt säumen. Das ist gar nicht mehr so einfach. Es ist schon Mittagszeit. Die Kellner servieren ihre Menus und der Rosé-Wein leuchtet in den Gläsern. Menschen lachen, rufe sich Grußworte zu, wenden ihre Gesichter in die Sonne. Die Stimmung ist unbeschwert, das Leben ist schön! Aber es ist auch so kostbar, so einmalig, und daran werden wir spätestens wieder erinnert, als wir auf dem Handy die neuesten Nachrichten aufleuchten sehen.

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