Ein Ausflug nach Saint-Rémy, Januar 2021

 

Der nächste Corona-Lockdown steht offensichtlich vor der Tür. In Frankreich wird noch heftig über die künftigen Maßnahmen spekuliert. Bis jetzt gilt bei uns die Ausgangssperre ab 18 Uhr, doch die Bewegungsfreiheit wird wohl wieder weiter eingegrenzt werden, darüber sind sich viele einig. Beim Frühstück entschließen wir uns deshalb spontan zu einem Ausflug. Sich einfach noch mal ganz bewusst treiben lassen, entspannt und frei… Wir entscheiden uns für Saint-Rémy-en-Provence. Das kleine provenzalische Städtchen ist nicht nur für seinen wunderschönen Mittwochsmarkt bekannt, sondern vermittelt auf schönste Weise mediterrane Leichtigkeit und das südfranzösische Lebensgefühl.

Aber es ist Winterzeit, Coronazeit zudem. Auf dem großen Parkplatz vor der Altstadt, auf dem sich sonst die Autos quetschen, ist noch viel Platz. Während sich im Sommer die Stände in der ganzen Altstadt aneinanderreihen und die Menschen sich drängeln, herrscht an diesem Mittwoch entspannte Ruhe. Nur vor dem Rathaus, rund um die Stiftskirche St. Martin und gegenüber, auf dem großen Place de la Republique, verkaufen die Händler ihr Sortiment, Oliven und Käse, Gemüse und Stoffe, Paella und Fisch. Verkäufer und Käufer halten Abstand zueinander, alle tragen Masken. Auf der Straßenkreuzung vor dem Marktbistro steht im Sommer die Sängerin Muriel und singt französische Chansons. Heute übermalt nur Straßenlärm die Szene.

Markt1

Markt2

Saint-Rémy ist bekannt für seine urigen Geschäfte und Boutiquen. Viele kleine Läden laden auch jetzt noch zum Bummeln ein. Die Tische in den Restaurants und Bistros, um die sich die Menschen sonst in der Mittagszeit streiten, sind jedoch verwaist, die Stühle hochgestellt: Schon seit fast zwei Monaten sind sie coronabedingt geschlossen. Ein trauriger Anblick. Wie gerne hätten wir jetzt dort irgendwo gesessen mit einem Glas Rosé! Vor einer Bäckerei hat sich eine Schlange gebildet, die Menschen stehen mit Kaffeebechern vor den Schaufenstern und essen Gebäckteile im Stehen.

Ein Schild weist in eine schmale Seitenstraße: Dort ist an einem schmucklosen Haus eine Tafel angebracht. Es ist das Geburtshaus von Michel de Nostradamus (1503-1566). Der Apotheker und Astrologe, der für seine prophetischen Gedichte bekannt wurde, hat dort am 14. Dezember 1503 das Licht der Welt erblickt.

Nostradamus

Noch mehr verbindet man heute Saint-Rémy mit einem bekannten Maler: Vincent van Gogh (1853-1890) war 1889/90 Patient in der Psychiatrischen Klinik des örtlichen Klosters Saint-Paul-de-Mausole, und in dieser Zeit entstanden einige seiner bekanntesten Werke.

Die hübsche Altstadt wird von einem Ring aus Platanen-Boulevards umgeben. Am Horizont ist die Bergkette der Alpilles zu sehen. Gleich vor den Stadttoren befindet sich mit dem „Glanum“ einer der bekanntesten archäologischen Ausgrabungsorte des Landes: Die antiken Monumente und der Triumphbogen sind Überreste einer römischen Stadt. Die Anfänge von Saint-Rémy sind, wie häufig in der Provence, römisch.

Beim Spaziergang durch die schmalen Gassen kommen wir an einem kleinen Restaurant vorbei, das seine Gerichte nun – in Coronazeiten - zum Mitnehmen anbieten. Das bringt uns auf eine Idee. Wir wollen diesen sonnigen Ausflug mit einem Picknick beenden! Wir kaufen Brot, Kichererbsensalat, einen Lachsaufstrich und eine kalte Flasche Rosé. Der Gastwirt lässt es sich nicht nehmen, den Korken schon mal zur Hälfte zu entkorken, er gibt uns Plastikbecher, Servietten und Einnmal-Besteck mit. Jetzt hoffen wir nur noch, auf dem Weg nach Hause einen schönen Platz finden.

Eine Schafherde am Horizont verleitet uns dazu, die Landstraße zu verlassen. Über kleine Alleen landen wir schließlich vor einer leerstehende Cabane, einem kleinen Häuschen. Die Holztür ist nur angelehnt, der Raum in Innern ist leer, ein Waschbecken auf einer Seite, ein Kamin auf der anderen, darüber zur Hälfte ein Dachboden. Vielleicht haben Hirten dort einst übernachtet. Wir verteilen unsere Schätze auf der Steinstufe im Eingang. Gibt es etwas Schöneres, als in der Mittagssonne Brot und Wein zu genießen?

Picknick

Es ist so still! Kein Autolärm, kein Vogelzwitschern, nur der Wind rauscht in den Bäumen um die kleine Hütte. Und in der Ferne bellt manchmal ein Hund.

AutoAlpilles

Dann hören wir, erst noch eher unbewusst, ein leises Glockenläuten, das immer lauter wird. Und plötzlich springt uns ein schwarzer Hund vor die Füße – eine Schrecksekunde, aber der Hund kommt nicht näher, er starrt uns nur an. Dafür ist nun das Glockengeläut und ein Blöken unüberhörbar: Direkt neben uns zieht ein Schäfer mit einer Herde Schafen und Ziegen an uns vorbei. Bonjour, grüßt der alte Mann, und er hebt seinen Stab. Seine drei schwarzen Border Collies umkreisen die Herde, und wir stehen auf und grüßen zurück.

Schafer1

Der Schäfer dreht sich um und winkt nach hinten – und wir müssen lachen: Ganz am Ende, weit hinter den letzten Tieren, springen noch zwei Zicklein übermütig und voller Lebensfreude über die Straße. Schon bald wird das Blöken und Meckern leiser, die Glöckchen sind noch einige Zeit von weitem zu hören, bis es wieder ganz still ist.

Schafer2

 

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