Auf Trüffelsuche, Januar 2021

 

Unser Garten ist längst in den Winterschlaf gefallen. Der Lavendel ist verblüht und heruntergeschnitten. Die Oliven der beiden kleinen Olivenbäumchen sind eingelegt. Im Kräuterbeet vegetieren noch ein paar Büschel Salbei und Thymian vor sich hin. Die Gartenmöbel sind eingewintert, und in den Blumentöpfen hält sich das Heidekraut wacker im kalten Mistral. Aber dieses kleine Stück Erde hält im Winter noch ganz andere Schätze verborgen. Mit Hilfe eines Trüffelhundes sind wir diesen Kostbarkeiten auf die Spur gekommen. Denn gar nicht weit unter der Erdoberfläche verbergen sich in unserem Garten viele „schwarze Diamanten“.

So werden sie jedenfalls von den Feinschmeckern genannt: schwarze Diamanten, auch duftende Goldklumpen oder göttliche Knollen! Kurz gesagt: Unser Garten ist ein natürlicher Trüffelhain. Und wir waren bisher völlig ahnungslos! Allerdings, unsere Nachbarin hatte uns schon im Sommer vorgewarnt: Unter der große Steineiche, die wohl über 30 Jahre dort schon dem Wind getrotzt hat, könnten die kostbaren unterirdischen Schlauchpilze wachsen. Dafür soll es ein untrügliches Zeichen geben: Wenn sich die Fliegen im Winter in der Mittagssonne auf den Erdboden setzen, dann könnten sie dort vom Duft der Trüffel angezogen worden sein. Wir hatten gelacht, der Winter war noch weit hin, und dann hatten wir die Fliegen und die Trüffel wieder vergessen.

Doch nun wurde die Sache ernst – und Heidi kam ins Spiel. „Eidi“, wie die Franzosen sagen. Heidi ist ein schwarzer Mischling aus einem Lagotto Romagnolo, also einem italienischen Trüffelhund, und einem Australien Shepard. Auf jeden Fall hat Heidi eine ausgesprochen gute Nase für Trüffel und geht in jedem Winter mit seinem Herrchen auf die Suche. Weil dieses Herrchen, Serge mit Namen, sozusagen zur weiteren Familie unserer Nachbarin gehört, wurde Heide nun ebenso in unserem Garten aktiv. Ein erster kleiner Proberundgang verlief vielversprechend: Am Kompost unter der Eiche begann der Trüffelhund gleich zu scharren. Also wurde ein Termin vereinbart.

„Ihr müsst Euren Kompost verlegen“, sagt unsere Nachbarin. „Wieso das denn?“ Mit viel Arbeit hatten wir die beiden Holzkomposter selbst angelegt und in die Erde eingelassen. „Genau darunter werden die Trüffel liegen“, ist sich unsere Nachbarin sicher. Trüffel seien wertvoll, für 1000 Euro das Kilo könne man sie verkaufen. Die wollten wir doch wohl nicht unter dem Gemüseabfall liegen lassen? Aber die Vorstellung, die ganze Holzkonstruktion samt Inhalt durch den Garten zu verschieben, macht uns auch keinen Spaß. Schicksal, sage ich, dann soll es nicht so sein. Doch unsere Nachbarin quengelt weiter. Schließlich gewinnt unsere Neugier. Die Holzkonstruktion wollen wir erst einmal stehenlassen, aber den Kompost für die Trüffelsuche leerräumen. Und so stehen wir an besagtem Tag schon früh in unserem Kompost. Es hat gefroren, Raureif liegt über dem Gras und die Erde ist frostig und kalt, als wir Schaufel für Schaufel Humus und Grünabfälle in große Säcke abfüllen. Nun hat Heidi das ganzen Revier für sich.

Mittags rücken Serge und Danièle mit ihrer Trüffelhundin an. Heidi hält sich nicht lange mit der Begrüßung auf, sie setzt gleich die Nase auf den Boden und strebt zum Kompostplatz unter der Steineiche. Und weiter im Zickzack zur Hecke. Zurück zum Kompost. Dort hebt die Hündin ein Bein, wie es eigentlich nur Rüden tun, und pinkelt gegen die Holzverschalung. Heidi trabt weiter durch den Garten, schnuppert hier und da, hebt das Bein, markiert den Rosmarinstrauch und den Flieder. Wir sehen uns an und müssen lachen. Das fängt ja mal gut an. „Komm, Eidi, komm“, lockt Serge seine Hündin zurück zur Steineiche. „Cherche les truffes!“ – „such die Trüffel!“ Heide schnüffelt, verfolgt eine Spur bis zur Hecke – und beginnt abrupt mit den Pfoten zu scharren. „Bravo, Eidi, bravo“, motiviert Serge seine Hündin, die ihre Nase immer tiefer in die Erde gräbt und sich plötzlich hinlegt. „Das ist das Zeichen, nun hat sie einen Trüffel gefunden“, erklärt Danièle. Serge schubst seine Hündin zur Seite. Mit bloßer Hand fasst er in das Erdloch, lässt die Erde durch die Finger rieseln und riecht an der schwarzen Krume. Er kratzt ein wenig – und hält einen Erdklumpen in der Hand. Man muss schon genau hinschauen, um zu sehen, dass die Struktur fester ist als die Erdkrümel. Serge reibt an dem Klumpen, und erst da wird die Trüffelknolle sichtbar. „Das ist ein gutes Stück“, findet Danièle. „Bravo, Eidi!“ Zur Belohnung kramt Serge ein Stück Käse aus seiner Jackentasche.

So habe sie mit dem Training angefangen, als Heidi noch ein Welpe war, erzählt uns Danièle, während Hund und Herrchen sich weiter auf die Suche machen. Sie habe damals Trüffel in Socken gelegt und in der Wohnung versteckt – und Heidi mit Käse belohnt. Und die Hündin macht ihre Arbeit inzwischen gut. Von November bis März ist das Team oft angefragt. Das ist die Zeit der „rabassiers“, der Trüffelsucher, die in der Provence nach den schwarzen Wintertrüffeln suchen. „Tuber malanosporum“ lautet der botanische Name, „rabasse“ nennen die Provenzalen den braun-schwarzen Perigord-Trüffel mit den feinen weißen Adern. Doch anders als der Name vermuten lässt liegt das Trüffel-Zentrum Frankreichs nicht im Perigord, sondern in der Provence - im Vaucluse, rund um den Mont Ventoux und im Luberon. Also sozusagen rund um unseren Garten! Etwa 70 Prozent der französischen Trüffel stammen von hier, die meisten werden in angelegten Kulturen geerntet. Aber zwischen Steineichen und Haselnusssträuchern gibt es auch noch natürliche Trüffel-Reservoirs!

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Heidi jedenfalls buddelt viele Löcher in unseren Rasen rund um die alte Steineiche. Nur der Kompost interessiert sie nicht. Am besten gefällt ihr allerdings unsere Schwarzkiefer auf der anderen Gartenseite. Und die Wurzeln der Kiefer wuchern offensichtlich weit: Noch fünf Meter im Umkreis der mächtigen Kiefer wird der Trüffelhund auf der Suche nach den göttlichen Knollen fündig. Währenddessen sucht Danièle in ihrem Handy nach Fotos und zeigt sie uns: Schon faustgroße Knollen haben sie in dieser Saison gefunden. Die Preise seien allerdings im Zuge der Coronakrise enorm gefallen, sagt sie. Für gewöhnlich sind die Perigord-Trüffel wegen ihres intensiven Geschmacks sehr gefragt auf den Trüffelmärkten der Umgebung, in Carpentras zum Beispiel. Nur die weißen Alba-Trüffel aus dem italienischen Piemont sind auf dem internationalen Markt bei Gourmets noch begehrter. Doch die Restaurants sind in Frankreich seit Wochen geschlossen, die Trüffelsucher finden keine Abnehmer. „Weihnachten gingen die Preise noch mal nach oben, 800 Euro gab es für das Kilo“, erzählt Danièle.

Aber es ist nicht nur der Preis, warum Serge und Danièle ihren Hund auf die Trüffelsuche abgerichtet haben. Es ist ebenso die Spannung, der Spaß, das Spiel. Jeder Einsatz ist wie eine Schatzsuche: Wird die Hündin fündig? Und wenn ja, was wird sie finden? Manche Knollen sind klein wie Haselnüsse, andere, mit Glück, groß wie eine Faust. Bis heute gibt es keine mechanische Methode, die Knollen zu finden. Der Mensch ist auf die feine Nase von Tieren angewiesen. Früher gingen deshalb hauptsächlich Trüffelschweine auf die Suche, doch die fraßen die „schwarzen Diamanten“ auch gerne selbst. Und so sind die „rabassiers“ auf den Hund gekommen. Doch Heidi scheint ebenfalls auf den Geschmack gekommen zu sein – wenn Serge nicht schnell genug ist, verschwindet so mancher dunkle Klumpen in ihrem Maul. „Il ne faut pas faire ça“, schimpft Serge – „das darfst du nicht machen“, und Heidi leckt sich die Lefzen.

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Das Ergebnis der Suche ist dennoch beachtlich: eine große Knolle, sechs kleinere, alle etwas angeknabbert. 50 Gramm zeigt die Waage. Marktwert 40 Euro, schätzt Serge. Wir sind zufrieden. Die Trüffelsuche endet – wie immer in der Provence – bei einem Glas Pastis auf der Terrasse in der Sonne. Dabei kann Danièle noch das eine und andere Rezept für die Verarbeitung der Trüffel weitergeben. Köstlich sind die schwarzen Knollen etwa frisch auf gegrilltem Brot mit etwas Olivenöl und Fleur de sel. Und für ein richtig gutes Omelett werden die Trüffel schon drei Tage vor der Zubereitung mit den Eiern in eine Schüssel gelegt - das Aroma der Knollen verstärkt sich durch die Eierschale. Seither wälzen wir nun Rezeptbücher. Wir werden alle Varianten durchprobieren, haben wir uns vorgenommen. Denn bis März will Serge mit Heidi noch einige Male vorbeikommen!

Der einzige, der das nicht richtig gut findet, ist unser Hund Willi. Der musste während der Trüffelsuche im Haus bleiben, weil er Heidi sonst von der Arbeit abhalten hätte. Anschließend trabte er missmutig durch unseren Garten und verfolgte ihre Spuren. An einigen Stellen fing er an zu buddeln. Das hat uns wiederum auf eine ganz neue Idee gebracht. Vielleicht sollten wir ein paar Trüffel in Socken wickeln und im Haus verstecken…

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