Rätselhafter Besuch im Garten, August 2020
Unser Garten ist für uns immer noch ein unbekanntes Terrain. Eines Morgens fand ich merkwürdige gelbe Krümel auf dem Rasen. Die Substanz erinnerte an gebackene Baiser. Was konnte das sein? Tierkotze, um es unverblümt zu sagen? Es hätte auch eine unappetitliche, schon stark verweste Hinterlassenschaft sein können. Im Zweifel wäre dafür unser Hund in Frage gekommen, aber für gewöhnlich verzieht er sich bei einem solchen Bedürfnis in die hinterste Ecke der Büsche. Ich räumte das seltsame Gebilde weg. Und wunderte mich, dass wenige Tage später an der gleichen Stelle wieder gelbe Kleckse im Gras erschienen. Ein Pilz? Und wenn ja, was für einer? Für solche Fälle ist ja doch das Internet gut. Die Suchanfrage „komischer Pilz im Garten“ brachte erstaunliche Ergebnisse.
Das gelbe Objekt ist weder Tier noch Pflanze. Aber auch kein Pilz, obwohl sein Name das vorgaukelt. Denn es handelt sich offensichtlich um einen Schleimpilz. Oder anders gesagt: um Hexenbutter, auch als Gelbe Lohblüte bekannt. Und damit haben wir Besuch von einem faszinierenden primitiven Organismus, der inzwischen sogar das Objekt internationaler Forschungen geworden ist. Der Wikipedia-Eintrag hat mich allerdings nicht viel weitergebracht. Dort wimmelt es nur so von Fachbegriffen, für die mir das biologische Hintergrundwissen fehlt. Da lob ich mir die Seiten der Gartenfreunde!
Der Schleimpilz ist demnach ein Einzeller, eine Art Amöbe. Und, gute Nachricht, völlig ungiftig. Er frisst Bakterien und Pilze. Und er bewegt sich sogar, wenn auch im Zeitlupentempo, sehr langsam vor. Ein- bis zwei Zentimeter pro Stunde, habe ich irgendwo gelesen. Angeblich soll er nach eingeschlafenen Füßen riechen, aber das kann ich nicht bestätigen.
Der Schleimpilz wächst an feuchten Stellen, auf Rindenmulch, auf dem Waldboden. Es gibt ihn in tausend Arten und Farben. Und er gehört immer noch zu den faszinierendsten Lebewesen, die durch die Evolution hervorgebracht wurden. Denn auch wenn diese Kleckse im Garten primitiv sind, so scheinen sie doch eine ganz eigene Intelligenz zu besitzen. Sie können, vereinfacht gesagt, Netzwerke bilden und über Impulse miteinander kommunizieren.
Es gibt Schleimpilz-Fans und für Interessierte ausführliche Schleimpilz-Seiten im Internet (zum Beispiel www.schleimpilz-liz.de): Dort findet sich alles über die fabelhafte Welt der Schleimpilze inklusive ein Forum für den Austausch. Wir sind nun gerade erst in diese Welt eingetaucht und noch ganz fasziniert über den seltsam-interessanten Gast.
In Mexiko heißen Schleimpilze übriges „Caca de Luna“ – Mondkacke, sozusagen. Und sie gelten als Delikatesse. Sie werden gebraten und gegrillt und sehen dann aus wie Rührei. Von einem Test in dieser Hinsicht haben wir Abstand genommen. Wir wollten unsere Hexenbutter vielmehr eine Weile beobachten. Wir haben dem Schleimpilz eine Haferflockenspur gelegt, angeblich lässt er sich so langsam voranlocken. Allerdings haben wir nicht an ihn gedacht, als wir wenig später den Rasensprenger anstellten. Das hat ihm leider den Garaus gemacht. Jetzt sieht er aus wie geröstete Kastanien. Aber ich bin sicher, er kommt wieder!