Eine Nacht im Jura, Juli 2018

Perlhühner sind keine richtigen Hühner. Sie gackern nicht. Sie tuckern - und manchmal kreischen sie laut und lang. Es klingt wie ein schnarrendes Scheppern, erinnert an die Autohupe der Waltons. Durch die Stille des Revermont, des Naturschutzgebietes im Süden des französischen Jura, klingt der Schrei fremd und exotisch.

 

Kein Wunder, denn ursprünglich kommt das Perlhühner aus Nordafrika, wo es durch die Savannen streift, erzählt Christian Baraux. In Frankreich heißt es deshalb auch Guinea-Huhn. Von den rund 90 Millionen Perlhühnern, die jährlich in Frankreich gezüchtet und zum allergrößten Teil auch im Land verspeist werden, hat er nur einen Bruchteil auf seinem Hof laufen. Aber die verstehen mit ihrem Geschrei, im stillen Jura auf sich aufmersam zu machen. Die kleinen, gedrungenen Vögel mit den namensgebenden weißen Perlen auf dem dunklen Gefieder scharren auf der großen Wiese neben den Ställen. Dort leben auch zwei Schweine. Sie kommen als Ferkel, und wenn sie geschlachtet werden, nehmen zwei neue Ferkel ihren Platz im Stall ein, so erzählt es der Hofherr. 

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Bis ins 13. Jahrhundert zurück führen die Wurzeln seines Hofes. Heute gibt es außerdem fünf Gästezimmer, und Camping-Mobilisten dürfen vor der Tür eine Nacht kostenlos stehen. Dafür zwängt sich das Wohnmobil über kleine Straßen und enge Kurven, denn die Zufahrtsstraße aus Richtung Norden ist abgesackt und gesperrt. In dem kleinen Ort Geruge, am Ende einer Schotterstraße, vorbei an Schafen und Kühen mit Glocken um den Hals, steht die „Grange Rouge“, die rote Scheune der Familie Baraux. Der Bauer kommt gerade aus dem Stall, drei zappelnde Hühner in der Hand. Sie sollen gleich geschlachtet werden. Aus den Käfigen an der Mauer schauen Kaninchen neugierig aus dem Stroh. 

In der Grange Rouge kann man wunderbar schlafen, spazieren gehen und essen, das verspricht die Homepage. Und das Essen komme „vom Stall direkt auf den Teller". Und wirklich: Das Abendessen an dem Holztisch, an dem sich alle Gäste des Hauses um acht Uhr zusammenfinden, ist einfach, aber sehr gut: Terrine vom Kaninchen, dann Huhn natürlich, im eigenen Saft geschmorrt ohne Butter oder Fett. Ist es eines der Geschöpfe, die vor wenigen Stunden noch in seiner Hand flatterten? Nein, die gibt es erst morgen, beruhigt der Hausherr. Zum Huhn ein Gratin Dauphinois, als Nachtisch Crème Brulée. Das Bier ist nach Claude Joseph Rouget de Lisle benannt, dem Dichter und Komponisten der Marseillaise, der 1760 im benachbarten Lons-le-Saunier geboren wurde.

Er sei nur wegen des Essens gekommen, erzählt der andere Gast, der an diesem Abend mit am Tisch sitzt. Er kommt aus Straßburg und ist mit dem Fahrrad unterwegs. Nicht irgendein Fahrrad. Nur ein winziges Klapprad, ein Brompton, „das Rad so groß wie Ihr Teller“. Denn ein normales Rad mache die Reise viel zu einfach, erzählt der Aktivsportler. Im Gespräch offenbart er, dass er Gerichtsvollzieher sei und einmal im Jahr mal aus seiner Komfortzone herausmüsse, um den Kopf frei zu bekommen. Mit seinem kleinen Rad fährt er dann quer durch Frankreich, von Straßburg zu seinen Verwandten in Marseilles, in zehn Tagen. Er ist unterwegs auf den kleinsten Straßen und übernachtet im Zelt auf dem Feld. Nur in Geruge gönnt er sich eine Pause, schon das fünfte Jahr. Drei Dinge schätze er an diesem abgelegenen Ort, sagt er: das gute Essen, die absolute Dunkelheit und die Stille.

Mit der ist es allerdings ab fünf in der Früh vorbei: Dann kräht der Hofhahn aus vollem Hals, und aus der anderen Seite des Tales bekommt er eine leise Antwort. Dann melden sich auch wieder die Perlhühner und kreischenl über den Hof. Das morgendliche Spektakel begleitet den Spaziergang durch das grüne Tal. Zum Abschied kaufen wir bei Monsieur Baraux noch ein Huhn. Er holt es aus dem Kühlraum. Erst heute Morgen wurde es geschlachtet, sagt er, es ist noch warm.

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