In Maubec, 23. Juni 2020
Das Thermometer steigt inzwischen über 34 Grad, die Provence schwitzt unter der grellen Sonne. Auf den Wiesen hinter Maubec, einem kleinen Weiler am Fuße des Luberon, suchen Pferde den kühlen Schatten unter den wenigen Bäumen. Dahinter öffnet sich ein riesiges Weidegelände, auf dem sich wollige Tiere im dunklen Morast suhlen. Eine Infotafel davor klärt die unwissenden Spaziergänger auf. „Es hat einen Korkenzieher-Schwanz, aber ein Wollkleid, ist das ein Schaf?“ lautet die launige Eingangsfrage. Und die Antwort: „Nein, es ist ein Schwein.“
Ein Mangalica-Schwein, um genau zu sein – ebenso bekannt als ungarisches Wollschwein. Kleine und große Tiere, eine ganze Schweineherde drängt sich hinter dem Zaun und wühlt im Dreck. Die Temperaturen scheinen den Vierbeinern mit den krausen wolligen Borsten nichts auszumachen. Eine dicke trockene Dreckschicht bedeckt jede Stelle ihres massigen Körpers. Grunzend und mit Behagen wälzen sie sich in der schlammigen Mulde.
Welch ein Unterschied zu den Bildern, die gerade – im Zeichen von Corona - die Schlagzeilen bestimmen!Bilder von Tieren in der Mastindustrie, in engen Ställen, dicht an dicht, auf Beton und ohne Licht. Bilder aus Schlachthöfen, in denen offensichtlich viele Menschen ein unmenschliches Arbeitsleben fristen und Tiere ein unwürdiges Lebensende finden. Dagegen haben diese Schweine wohl einen Freischein für ein glückliches artgerechtes Leben gezogen.
Kris und Ilse Reyniers heißen die Besitzer, die auf ihrer Info-Tafel von ihren Schweinen erzählen. Vor 18 Jahren haben sie der industriellen Schweinezucht den Rücken gekehrt, um neue Wege zu gehen. Sie entdeckten die Mangalica für sich, eine alte Haustierrasse, die vor 25 Jahren beinahe schon ausgestorben wäre. Dabei steht das Fleisch für eine besondere Qualität: Es ist besonders rot und marmoriert und hat einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren. Die Rasse zählt zu den fettesten Schweinearten überhaupt.
In die Provence kamen die ersten Wollschweine aus der ungarischen Steppe 2013 an. Inzwischen haben die Reyniers eine stattliche Schweineherde aufgezogen. Mit dem Ziel, die Bedürfnisse der Tiere zu respektieren und ihr Wohlbefinden zu fördern, können die Wollschweine in aller Natürlichkeit leben. Sieben Säue und ein Eber bilden dabei immer eine Familie, die auf einem jeweils ein Hektar großen Gelände zusammenlebt. Die kleinen Wollschweinferkel verlassen nach drei Monaten die Familiengruppe, um nach einer Entwöhnungsphase in der Mastherde zu leben. Gemüse, Früchte und Körnerfutter aus regionalem und biologischen Anbau und Ziegenmolke stehen auf dem Speiseplan der Borstentiere, ausgewähltes Futter für erlesendes Fleisch lautet die Devise.
Das Ende eines schönen Lebens landet dennoch auf dem Teller. Mit rund 15 Monaten werden die Tiere geschlachtet. Aber damit haben sie immerhin rund ein dreiviertel Jahr länger als ein gewöhnliches Mastschwein gelebt – von der Lebensfreude mal ganz abgesehen. Echte Glücksschweine sozusagen.