In Ménerbes, Juni 2020

 

Schon von weiten sichtbar auf einem Bergrücken des Luberon präsentiert sich Ménerbes den Besuchern: Der Ort gilt als einer der schönsten Frankreichs. Jetzt, nach dem Corona-Lockdown und vor den großen Sommerferien, ist es an einem heißen Sommertag in den schmalen mittelalterlichen Gassen noch friedlich und still. Das war nicht immer so. Ménerbes hat aufregende Zeiten hinter sich, seit sich der britische Schriftsteller Peter Mayle dort vor mehr als 30 Jahren niedergelassen hat. Sein Buch „Mein Jahr in der Provence“ erlangte Weltruhm, und damit wurde plötzlich das bis dahin eher verschlafene Ménerbes über alle Grenzen bekannt. Davon zehrt und daran leidet das kleine Bergdörfchen heute noch.

„Mein Jahr in der Provence“ ist eine Liebeserklärung an die Provence. Mit britischem Humor und dem Blick des Fremden aß sich Peter Mayle durch die französischen Restaurants, analysierte die Schrullen seiner Nachbarn und die Eigenarten der französischen Lebensart. Ein Buch, das man verschlingt, herzlich über die Klischees lachen und von der Provence träumen lässt. Über sechs Millionen Mal verkaufte sich der launige Reisebericht, auch die nachfolgenden Provence-Bücher wurden Bestseller und in viele Sprachen übersetzt.

Das Malheur begann, als die begeisterte Leserschaft es nicht beim Träumen beließ, sondern sich selbst auf den Weg machte, um durch die malerischen Gassen zu streifen, bei der unberechenbaren Bäckerin ein Brot zu kaufen und im ungepflegten Dorfcafé einen Rosé zu trinken. In Bussen fielen Heerscharen von Touristen, allen voran aus England und Japan, im Luberon ein. Peter Mayle hatte es ihnen leichtgemacht: Er hatte keine falschen Namen und Orte erfunden, sondern die Wirklichkeit authentisch beschrieben. Seine Reisebeschreibungen lasen sich wie Landkarten für seine Fans. Bei vielen Provenzalen, vor allem jenen, die sich in dem Bestseller nicht immer freundlich beschrieben widerfanden, machte er sich damit nicht beliebt. Auf der anderen Seite gibt es viele, die sich bis heute an dem von Mayle ausgelösten Touristenboom eine goldene Nase verdienen und dankbar sind für jede Werbung.

MenerbesStrasse

Dem Bestsellerautor selbst wurde der Rummel bald selbst zu viel, nachdem eine britische Zeitung seine Adresse veröffentlicht hatte und er immer wieder unerwünschten Besuch in seinem Haus antraf. Er zog mit seiner Frau für ein paar Jahre über den Atlantik in die USA, bevor er sich auf der anderen Seite des Luberon, bei Lourmarin, niederließ und dort eher still und abgeschieden die Provence genoss. Er starb im Januar 2018.

Ménerbes hat sich seither jedenfalls sehr verändert. Schick ist der Ort, herausgeputzt und aufgeräumt. Kleine Restaurants, lauschige Straßen, malerische Häuser, Blumenranken, alles sehr gepflegt und restauriert. Am schönsten jedoch ist immer wieder dieser großartige Blick über die Stadtmauern hinaus über die weite Landschaft und das Vaucluse-Gebirge.

Stadtmauer

Auf dem Weg hoch zur Kirche kommen wir in der Mittagszeit am prächtigen Wein- und Trüffelhaus vorbei. Der Garten ist lauschig und der Lavendel blüht. Dort mit einem Rosé den Ausblick zu genießen, das ist wirklich eine Verlockung. Als wir die schwere Tür aufstoßen, schaut ein Mann mürrisch aus dem Restaurant: Es sei geschlossen. Aber laut Öffnungszeiten sei doch heute geöffnet, wage ich einzuwenden. Es seien heute keine Gäste gekommen, deshalb habe er das Restaurant gerade geschlossen, sagt er - und nein, einen Rosé im Garten könne er jetzt nicht ausschenken. Das klingt noch ganz nach dem Ménerbes von Peter Mayle...

Der Spaziergang durch den Ort führt an einer prächtigen Villa vorbei, von der aus man einen erhabenen Blick über die Provence haben muss. Dort lebte eine andere Prominente - Dora Maar. Eigentlich Henriette Theodora Markovitch, die Welt kennt sie als „Weinende Frau“, denn als solche hat Pablo Picasso sie über den Tod hinaus bekannt macht. Zehn bewegte Jahre, von 1935 bis 1944, war sie seine Geliebte, nach der Trennung schenkte er ihr die Villa in Ménerbes. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod 1997, doch glücklich wurde sie anscheinend nicht mehr. Sie litt unter Depressionen, lebte isoliert und hatte nur wenige Freunde. Der Nachwelt bleibt die schöne dunkelhaarige Frau nicht als die talentierte Malerin, Fotografin und Künstlerin, die sie war, sondern doch nur als Geliebte und ein Model Picassos in Erinnerung.

DoraMaar

Am Ortseingang, neben dem öffentlichen Waschhaus von 1908, finden wir nach unserem Spaziergang doch noch den Ort, an dem wir einem Rosé mit Aussicht genießen können: Das „Bistro Le 5“ hat eine wunderschöne Terrasse mit Blick über das Tal. Tauben gurren, eine Ameise zieht vor meinen Füßen einen großen toten Käfer hinter sich her. Vom Touristenboom von einst ist in Ménerbes gerade nicht viel zu spüren. Der Kellner bringt den Wein, er trägt eine Schutzmaske – ach ja, manchmal vergisst man in all diesem ländlichen Mittagsfrieden fast, dass wir in Corona-Zeiten leben und sich so manches auch dadurch verändert hat.

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