In Caumont-sur-Durance, Januar 2020
Die Provence war einst römisches Land. Vor 2000 Jahren begannen die Römer unter Kaiser Augustus das Land zwischen den Pyrenäen und den Alpen zu besiedeln und auszubauen. Auf ihre Spuren trifft man heute immer wieder in der ehemaligen römischen Provinz Gallia Narbonensis. Nirgendwo sonst stehen so viele imposante Baudenkmäler, Amphitheater, Aquädukte oder Triumpfbögen, die an die Kultur des Römischen Imperiums erinnern. Manchmal sind es auch nur unscheinbare Mauerreste, die am Wegrand zu finden sind. Zum Beispiel in Caumont-sur-Durance.
Schon so viele Male sind wir an dem Hinweisschild „Römischer Garten“ an der D900 drei Kilometer hinter der Autobahnauffahrt Avignon-Sud vorbeigefahren. Römischer Garten? An einem grauen, diesigen Januartag folgen wir aus einer Laune heraus dem Schild. Und landen in Caumont-sur-Durance, einem kleinen, auf den ersten Blick eher unspektakulären Örtchen mit einer alten Kirche. Und mit einem noch viel älteren Garten.
Der Ausstellungsraum am Eingang, in dem die Geschichte des Gartens erzählt und einige Ausgrabungsfunde präsentiert werden, hat leider geschlossen. Doch der Garten ist frei zugänglich. Er gehörte im 1. Jahrhundert nach Christus zu einer großen und luxuriösen Villa aus der Zeit des Kaisers Augustus. Ihre Existenz war Historikern schon länger bekannt. Aber erst 1998 entdeckten Archäologen bei Ausgrabungen die dazugehörige spätantike Gartenanlage, die anschließend aufwendig rekonstruiert und 2006 eingeweiht wurde. Der 12000 Quadratmeter große Garten gibt nun eine Vorstellung davon, wie einst der reiche Hausherr mit seiner Familie zwischen Rosmarinbüschen und Gemüsebeeten oder durch das Pflanzenlabyrinth lustwandelte. Vermutlich gehörte die Villa einem hochrangigen römischen Beamten. Nicht von ungefähr hatte er sein Anwesen auf einer Anhöhe gleich neben der Via Domitia, der römischen Heerstraße, gebaut. Von dort unten aus muss die Anlage einen monumentalen Eindruck gemacht haben.
Auf drei Ebenen, einst über Treppen verbunden, verlief die ursprüngliche Anlage. Der Bauherr hat dabei die Gartenkunst mit der römischen Mythologie verbunden. So sind die acht Themengärten jeweils römischen Göttern und den jeweils Pflanzen, die für sie stehen, gewidmet: für Jupiter die Eiche, für Apoll Zypressen, für Bacchus der Wein. Herzstück der Anlage ist jedoch ein 65 Meter langes und drei Meter breites Wasserbecken, angeblich das größte seiner Art in ganz Gallien. Über 50000 kleine und gut erhaltene Ziegelsteine bedecken seinen Boden.
An diesem nasskalten Wintertag fällt es schwer, sich vorzustellen, wie der römische Hausherr einst die opulente Treppe von seiner Villa hinab in den Garten stieg. Dort, wo im Sommer vielleicht der Lavendel blüht und Thymian die Luft würzt, lassen die laublosen Büsche die Köpfe hängen und das Gras wirkt zerrupft, der Wind malt Muster in den Wasserpfützen des kleinen Zierbeckens. Die ganze Anlage wirkt wie dieser Tag lustlos und müde. Den Römischen Garten sollte man wirklich besser an einem sonnigen Sommertag besuchen!
Eingefriedet war der Garten mit einer 120 Meter langen, 90 Meter breiten und drei Meter hohen Mauer. Den größten Teil davon hat wohl der Wind der Zeit abgetragen und in alle Richtungen verteilt. Ein kleiner Mauerrest blieb erhalten und konnte rekonstruiert werden.
Anhand der Mauerreste am Rand des Geländes konnten die Archäologen die Anlage der Thermen konstruieren. Sie verfügten über eine Dampfbad, in dem die Luft über Fußboden und Wände auf rund 50 Grad erhitzt wurde, über einen Wärmeraum zur Erholung und einen Abkühlraum. Die Thermen wurden – wie auch die Villa - Ende des dritten Jahrhunderts gewaltsam zerstört und dann mehrmals wieder aufgebaut. Für das fünfte Jahrhundert belegt die Grabstätte einer alten Frau die weitere Nutzung des Geländes. Auch der Fund drei Töpferofen aus dieser späteren Zeit spricht dafür.
Gleich gegenüber dem Gelände steht die alten Kapelle Saint-Symphorien, sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und wird im Reiseführer als schönes Beispiel für den provenzalisch-romanischen Stil gelobt - aber auch sie ist heute geschlossen. Weiter den Hügel hinauf hinter dem Ort führt ein Fußweg, und oben, auf dem Gipfel, verschlägt es uns doch ein bisschen den Atem: Der weite Blick geht über das ganze Tal, vom Mont Ventoux auf der der linken Seite über den Luberon und Cavaillon bis zu den Antillen und Saint-Remy-en-Provence. Nur liegt leider alles in einer feuchten Nebelwolke. Schon allein für diese Aussicht lohnt es sich, an einem blauen Provence-Sommertag zurückkehren!