Auf dem Weihnachtsmarkt, Dezember 2019
Es weihnachtet … natürlich auch in der Provence! In vielen Orten werden jetzt für ein Wochenende oder mehr die Basare aufgebaut, les marchés de Noël. In unserem kleinen Städtchen gibt es sogar einen richtigen Weihnachtsmarkt, der bis zum 1. Januar der Mittelpunkt des Stadtlebens ist.
Das Sinnbild für Weihnachten in der Provence sind die bekannten Santons. Die kleinen bunten Ton-Krippenfiguren stellen nicht nur das weihnachtliche Geschehen rund um die Krippe dar, sondern bilden volksgeschichtlich das Leben in der Provence der alten Zeit nach. Ganze Dörfer mit vielen Figuren, die Vertreter aller Berufe wie Bäcker, Arzt oder Richter bilden den Rahmen der provenzalischen Krippe. Es gibt vielerorts Märkte nur für Santons – aber das ist noch mal eine andere Geschichte. Weihnachtsmärkte, wie wir sie kennen, waren in den vergangenen Jahrzehnten dagegen eher im Osten Frankreichs üblich. Aber so nach und nach erobern sie jetzt den Rest der Republik. Allerdings: So einige Unterschiede zu den deutschen Märkten gibt es doch.
Ich gebe zu: Ich liiiiiiebe Weihnachtsmarktmärkte. Und in Hamburg war ich in dieser Hinsicht sehr verwöhnt. Es gibt dort nicht nur viele, sondern schöne Märkte. Der Duft von Glühwein und Bratwurst umfängt den Besucher schon am Eingang zu jedem Hüttendorf. Jedes Jahr habe ich mich schon auf die beste Bratwurst am Thüringer-Grill auf dem historischen Weihnachtsmarkt am Rathaus gefreut. Und den besten Glühwein gibt es nach geheimer Rezeptur an der St. Petri-Kirche. Dazu verdichten sich Weihnachtsmusik, Handwerkskunst und Backwerk, Kerzen und Karussells und der Atem in der kalten Luft zu einem besonderen Zauber.
24 Hütten sind jetzt im Stadtpark unseres provenzalischen Städtchens aufgebaut. Am Eingang glänzen ein paar grüne ungeschmückte Nordmanntannen. In der Mitte, unter einem Zeltdach, laden Tische und Bierbänke zum Verweilen ein. Dort trifft man sich abends zum jeweiligen Unterhaltungsprogramm. Neu ist in diesem Jahr der Holzboden, der großflächig verlegt ist. Im vergangenen Jahr mussten die Besucher nach einigen heftigen Regenfällen noch durch die Matsche trampeln. Die Marktbetreiber haben sich eine besonders pfiffige, wenn auch nicht unbedingt repräsentative Methode überlegt, die Meinung der Besucher zu diesem Holzparkett zu erfragen: Wer ihn zu schätzen weiß, darf am Bierstand seine Zigarettenkippe in einen gläsernen Aschenbecher fallen lassen. Links sind die Kippen der Befürworter, rechts die der Kritiker. Die Stimmung scheint unter den Rauchern jedenfalls eindeutig: Während sich die linke Seite füllt, ist es rechts noch ganz leer. Gelobt seien die trockenen Füße auf diesem Weihnachtsmarkt!
So lässt sich in aller Ruhe an den Holzhüttchen vorbeibummeln und die Angebote studieren. Die reichen über Kunsthandwerk und schöne Geschenkideen über Socken und gestrickte Schals, duftende Seifen bis hin zu den hölzernen, ineinander schachtelbaren russischen Matroschka-Puppen (wie haben die sich in die Provence verirrt?). Ein paar Stände weiter gibt es luftige bunte Tutus für die kleinen Ballerinen. Außerdem viel Schmuck, UNICEF-Postkarten, gebrannte Maronen, korsische Spezialitäten, Spielzeug, Lakritz, ein Käse- und ein Trüffelstand. Wer mit hungrigem Magen kommt, sucht allerdings vergeblich nach Bratwurst. Die kulinarische Ausrichtung ist eher mediterran: Austern und Meeresfrüchte, Käsefondue und Schnecken, Crêpes, Zwiebelsuppe, Churros, Burger und Pommes. Und: ein Bretzel- und Glühweinstand. Immerhin!
Vor dem dampfenden Topf, aus dem der Glühwein gezapft wird, steht die längste Schlange an. In der Auslage neben dem Topf liegen Laugenbretzel mit ungewohnter Füllung: mit Kartoffeln und Lachs, Ziegenkäse und Curryhuhn. Aber zum Winzerglühwein schmeckte die pure Salzbretzel immer noch am besten.
Nur ein bisschen weihnachtlicher könnte die Musik sein! An diesem ersten Abend auf dem Weihnachtmarkt steht aber Disco auf dem Programm. Der DJ hat eine urige Perücke auf und spricht mit starkem Akzent. Ist es russisch? „Disco Moscow“ sagt er, und er verblüfft uns schon mit dem ersten Song: Boney M. – Rasputin. Wann habe ich das zum letzten Mal gehört? Es muss Ewigkeiten her sein! Die kleine Tanzfläche füllt sich schnell, Väter wippen mit ihren kleinen Kindern und singen mit, „Ra ra Rasputin, Lover of the Russian queen…“
An den Tischen vorbei drängen sich riesige Plüschfiguren. Nicht etwa der Weihnachtsmann, nein XXL-Mäuse und Nilpferde erobern ebenfalls die Tanzfläche.
Es wird nicht provenzalischer und nicht weihnachtlicher. Oh nein! Nach Pat Boones „Speedy Gonzalez“ haben wir den Glühwein schon fast leer, da erklingen die nächsten Takte: „Modern Talking“ – You're my heart, you're my soul, I'll keep it shining everywhere I go… Und das schlimmste: Nach dem zweiten Glühwein ertappten wir uns dabei, dass auch unsere Füße zum Rhythmus wippen.