Auf dem Sonntagsmarkt in L'Isle sur la Sorgue, Oktober 2019
In der Provence hat jeder Ort seinen Wochenmarkt. Der Montagsmarkt in Cavaillon wurde schon im 19. Jahrhundert mit seinen Melonen bekannt. Mittwochs werden die Marktstände in den kleinen Gassen von Saint-Rémy-de-Provence aufgebaut. Und freitags lädt das malerische Städtchen Lourmarin im Luberon zum Marktgang ein. Selbst sonntags findet der passionierte Marktgänger keine Ruhe. Denn dann steht ganz L’Isle sur la Sorgue Kopf! Wer unter Platzangst leidet, sollte lieber im Herbst und Winter kommen.
Aber selbst dann ist die Parkplatzsuche eine Geduldsprobe. Denn der Sonntagsmarkt ist bekannt und berühmt. Und er ist einer der ältesten in der Provence. Ganz L’Isle sur la Sorgue verwandelt sich am Sonntagmorgen in einen provenzalischen Markt.
Olivenöle, Kräuter, Gemüse und Obst, Käse und Wein, Töpferwaren und Tischwäsche – alles, was die Provence an Farben, Produkten und Gerüchen zu bieten hat, findet sich in der Stadt. Dann ist es schwer, gegen den Strom zu schwimmen: Man muss sich einfach ins Gewühl werfen und treiben lassen. Schwarze oder grüne Oliven, mit Zitronen, Orangen oder Knoblauch, mit Kernen und ohne, die Auswahl ist riesig, und das Schöne: Man darf vorher probieren. Das ist zugleich die Verführung! Wie kann man dann nein sagen?! Auch nicht bei den Tapenaden, den leckeren Olivenpasten, die in der Provence traditionell auf getrocknetem Weißbrot zum Apéro gereicht werden.
Daneben stapeln sich Marmeladen in allen Farben, am nächsten Stand gibt es Madagaskarpfeffer und Lavendelsalz. Blumen, Olivenöl, Chilisträuße, gemasertes Olivenholz und Tischdecken, Käse und Salami, weißes Mandelnougat aus Montélimar, Wein, Seifen in allen Regenbogenfarben, Honig, Strohhüte und Bastkörbe – das Sortiment ist endlos.
Mehr als 250 Händler protzen mit ihren Schätzen und überschlagen sich mit Angeboten: fünf Salamis für nur zehn Euro. Dazwischen duften orientalische Pasteten, Paella-Pfannen und Brathähnchen, die sich auf der Grillstange drehen.
In der Rue Carnot, der Rue de la République und den engen Gassen der historischen Altstadt drängt sich der Passantenstrom vorbei an Töpferwaren und Schmuckhandwerk, an Gürteln, Hemden und Schuhe. An freien Straßenecken stehen Straßenmusiker, die mit der Gitarre oder dem Saxophon das bunte Treiben musikalisch untermalen. Wer das Schauspiel in Ruhe genießen und bestaunen will, findet in den vielen Bars am Ufer der Sorgue, in der sich Wasserräder drehen und die Enten auf dem glasklaren Wasser tummeln, ein gemütliches Plätzchen für einen Kaffee oder einen frühen Rosé. Der schönste Platz dafür ist zweifellos unter den schattigen Platanen im „Café de France“ gleich gegenüber der Stiftskirche Notre-Dame-des-Anges“. Die älteste Brasserie der Stadt soll im Krieg Treffpunkt der Résistance gewesen sein. Noch immer verströmt das Café mit der grünen Jugendstilfassade nostalgischen Charme.
Zur vorgerückten Stunde wird es in den schmalen Straßen immer enger. Mittagszeit! Die Kellner der vielen kleinen Restaurants haben Übung darin, die Teller mit frisch gegrillten Forellen oder Steaks durch die Menge zu den Tischen auf der anderen Straßenseite zu balancieren. Andere Marktbesucher machen es sich mit ihren Käseeinkäufen und einer Flasche Wein in dem kleinen öffentlichen Park direkt an der Sorgue bequem. Dort steht an schönen Tagen in der Regel auch das Sänger-Duo Patrick und Muriel und singt all die wunderbaren alten Chansons von Jacques Brel oder Edith Piaf, bei denen man schon immer in Frankreich-Erinnerungen schwelgte.
Ab 14 Uhr wird es in L’Isle dann wieder ruhiger. Doch während die Markthändler ihre Waren einpacken und mit ihren Transportern durch die engen Straßen rangieren, haben die Antiquitätenhändler auf den Bürgersteigen entlang der Avenue des Quatre Otages und in den vielen Antiquitätenläden noch lange nicht Feierabend. Denn L’Isle sur la Sorgue ist nach Paris der Treffpunkt für Trödel und Antiquitäten. An jedem Wochenende haben die über 300 Antiquitätenhändler geöffnet und präsentieren Mobiliar und Bilder, Porzellan und Silberbesteck mit dem Charme vergangener Zeiten, Preziosen und Schnäppchen, Raritäten und Plunder – aber das ist noch eine ganz andere Geschichte.