Unterwergs in den Ockerbrüchen von Rustrel, Mai 2019

 

Es gibt Orte, die sind nicht von dieser Welt. Wer schon mal über den Strand von Sankt Peter-Ording gelaufen ist, weiß, wie es sich anfühlt, auf dem Mond gelandet zu sein. So geht es einem auch im Colorado Provençal in Rustrel. Bekannter sind in der Provence vielleicht noch die Ockerfelsen im 15 Kilometer entfernten Roussillon. Doch wer Ockerbrüche richtig erleben will, sollte den kleinen Ort Rustrel nicht verpassen!

Schon von weitem wirken die Ockerbrüche bizarr: Aus den sanft-grünen Hügeln der Provence stechen die Ockerfelsen wie eine rote Fleischwunde heraus. Vom Parkplatz aus führt der Weg durch den Wald, vorbei an Wiesen und über einen Wasserlauf. Völlig unverhofft tritt man aus dem grünen Baldachin der Pinien und Steineichen hervor in eine Mondlandschaft. Man muss blinzeln, so irreal wirkt plötzlich die Landschaft. Als wären wir, ohne es zu merken, urplötzlich auf einen anderen Planeten gebeamt worden! 

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Doch dieser unwirkliche Ort ist das Ergebnis von Naturgewalten und Menschenhand. Vom 17. Jahrhundert bis 1992 wurde in Rustrel Ocker abgebaut. Das etwa 30 Hektar große Gelände ist im Privatbesitz und wird inzwischen von einem Verein betreut.

Der Boden ist pudrig und weich, fein wie Wüstensand. In bizarren Formationen ragen die Felsen mit spitzen Gipfel heraus, die Konturen der Steine sind vom Wind verwischt. Als hätten Riesen sie aus Sandförmchen geformt, sie dann durcheinander gewürfelt und Farbeimer über sie entleert. Kontrastvolle und dramatische Farben, karminrot, braun, ein klares Gelb und helles Orange. 24 Farbtöne sind angeblich für das Colorado Provençal offiziell erfasst, von grau bis grün. Die Erde scheint von innen zu glühen, und mit jedem Sonnenstrahl und aus jeder Perspektive leuchtet ihre Färbung anders.

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Cheminée de Fée werden die merkwürdigen Felssäulen bezeichnet: Feenkamine. Charakteristisch für sie ist, dass sie aus zwei verschiedenen Gesteinen bestehen, einem weichen und einem härteren Stein darüber. Wind und Wetter haben das weiche Gestein zu hohlen Säulen geformt – mit einem gegen die Erosion widerstandfähigeren Hut. An anderen Stellen entblößen die Felsen Schicht für Schichte ihre geologische Entwicklungsgeschichte. Désert blanc – weiße Wüste heißt der Sand vor den steilen Felsschluchten. Oben, auf den Klippen, wachsen Bäume, deren grüne Konturen sich krass von den Ockerfarben unter ihnen und dem blauen Himmel über ihnen abzeichnen.

Der Weg windet sich durch Wald und Steinlandschaften um die Ockerbrüche herum und bietet immer wieder atemberaubende Blicke in die Felsenschluchten hinein. Mal ist der Waldboden erdig und weich, man läuft über Blätter und Nadeln und stolpert leicht über riesige Baumwurzeln, die sich durch die Erdoberfläche gebohrt haben. Dann folgt man einem Hohlweg, steinig wie ein ausgewaschener Bach, und klettert über riesige rostbraune Steine, als wären sie vom Mars aus dorthin geschleudert worden. Wir kommen an Grotten vorbei und an Höhlen. An der Felswand über uns raschelt es und wir blicken hinauf in der Erwartung, oben an der Kante Winnetou und Old Shatterhand hoch zu Ross zu sehen.

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Manchmal kommen wir an riesigen Steinfelder vorbei, die wie Spielplätze von Außerirdische wirken: Stein auf Stein stehen dort viele große und kleine Steinmännchen in einem riesigen Zen-Garten. Der letzte Teil des Rundweges führt schließlich selbst an den Rand der Ockerbrüche, von denen aus eben noch die Indianer das Tal beobachteten. Aber dort weht nur ein Seil im Wind, das allzu forschen Besuchern am Abgrund den Blick hinunter verwehrt.

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