Begegnungen mit „Xeropicta derbentina", Oktober 2018

 

Wenn die Sonne in der Provence am heißesten brennt, mischen sich in die Lavendelfarben des Sommers plötzlich überall weiße Farbtupfer. Felder und Straßenböschungen verwandeln sich, aus der Ferne betrachtet, in Blütenmeere. Erst beim Näherkommen erkennt man: Die vermeintlichen Blüten leben. Es sind Schnecken.

Wie ein Heer fallen sie über das Land ein. Myriaden kleine weiße Schnecken erklimmen in der Hitze jeden Grashalm, jeden Zaun, ja sogar Hauswände. Den Weichtieren zu entgehen, ist unmöglich. Bei jedem Schritt durch eine Wiese knirscht und knackt es unter den Schuhen – ein Gefühl, das jeden Menschen, der dieser Welt nur Gutes tun will, nicht unberührt lässt.

Schnecken Landshaft

„Xeropicta derbentina“ lautet der wissenschaftliche Name der kleinen Lebewesen, die 1949 zum ersten Mal in der Nähe von Aix-en-Provence gesichtet wurden. Als „escargots blancs de Provence“, auch „mourguette“ oder provenzalisch „cacalauso“ genannt, gehören sie seither wie Lavendel, Oliven und Wein zum Land. Erste wissenschaftliche Untersuchungen haben ihren Weg aus dem östlichen Mittelmeerraum über Kaukasien, Kroatien und Griechenland zurückverfolgt. Besonders seit den 70er Jahren hat sich ihre Zahl vervielfältigt. Denn im Gegensatz zu anderen Schnecken können die kleinen Weißen selbst hohe Temperaturen über 40 Grad einige Stunden überleben. Dazu flüchten sie vor der heißen Erde in die Höhe, sie suchen jeden Lufthauch und die Frische des feuchten Morgentaus einige Zentimeter über dem Boden. Obwohl eine Plage, verursachen die Schnecken keine offensichtlichen Schäden in der Landwirtschaft. Wissenschaftler diskutieren, ob sie Wiederkäuern nicht guttun und die Pflanzenblüte verhindern können.

SchneckenBaum

Was kann man nur gegen diese Invasion tun, fragt eine verzweifelte Gartenbesitzerin in einem Internetforum. „Les laisser tranquille“, lautet der Rat eines Franzosen – lass’ sie in Ruhe. Einfach abwarten. Denn die Schecken erscheinen nur dort, wo es heiß und trocken ist. Mit den ersten herbstlichen Regenschauern verschwinden sie wieder. Ein anderer Rat: Einfach das Beste aus der Situation machen – und die Schnecken essen. Franzosen wissen den Geschmack der kleinen Weichtiere durchaus zu schätzen. „Mourguette en vinaigre“ heißt ein Rezept dafür – Schnecken in Essig. Dazu werden die „escargots blancs“ im Wasser ertränkt (ja, er wisse, das sei grausam, schreibt der Rezeptgeber in dem Internetforum. „Aber nur, weil sie nicht schreien, leiden die Karotten nicht weniger, wenn sie geschält werden.“) Über Nacht die Schnecken in Salzwasser legen, damit sich der Schleim absetzt. Danach unter klarem Wasser abgespülen und 20 Minuten in einer würzigen Fischbrühe kochen. Dann einfach noch mit einem guten Essig, Knoblauch und Petersilie abschmecken, und der Schneckensalat ist fertig. Bon appétit!

 

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