In der Calanque de Méjean, Juni 2025

 

Wer wünscht sich nicht einen kleinen, versteckten, schönen Ort am Meer, den er nicht mit allen anderen teilen muss? An der Côte Bleue, der blauen Küste westlich von Marseille, gibt es sie, die stillen Calanques, kleine Felsbuchten, die oft nur schwer zugänglich sind. Eine davon ist die Calanque de Méjean, eine idyllische Oase zwischen rauen Felsen, mit urigen Fischerhäusern, klarem Wasser und einem herrlichen Fischrestaurant.

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Ohne Reservierung läuft im Sommer im „Le Mange-Tout“ allerdings nichts. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn die Stimme am Telefon nach dem Autokennzeichen fragt. Denn von April bis September ist der Zugang zu den Calanques tagsüber für Fahrzeuge beschränkt. Die enge Straße, über die wir dann in der Mittagssonne in die Calanque fahren, führt steil hinauf und hinab. Zwischendurch müssen wir warten, weil Ziegen auf die Fahrbahn laufen. Dann kommt eine Straßensperre. „Haben Sie eine Zugangsberechtigung?“, fragt uns einer der drei Männer, die mit orangefarbenen Westen auf Stühlen hinter einer Barrikade sitzen. Eine Reservierung im „Le Mange-Tout“, d’accord, sein Kollege nimmt eine Liste in die Hand und kontrolliert die KFZ-Nummer – und wir dürfen weiterfahren.

Die Calanque ist in zwei Teile gegliedert, in die kleine und die große Méjean. Die Straße windet sich, bergauf und bergab. Mehrmals geht es so steil hinauf, dass man erst oben, auf der Kuppe, sehen kann, wie es dahinter weitergeht. Felsen und Pinienwälder rechts und links, vorbei an der kleinen Méjean mit einem malerischen Fischerhafen und einem kleinen Strand und immer weiter fahren wir, bis wir schließlich auf einem Parkplatz landen, auf dem es die Straße endet.

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Wie eine riesige Raupe liegt eine Pinie quer über dem Parkplatz. Wahrscheinlich hat der Mistral den Baum entwurzelt, und nun wächst er, statt in den Himmel, einfach über dem Erdboden weiter.

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Ein Viadukt, ein gewaltiges Bauwerk überspannt die Calanque de Méjean: Darüber fährt der Train de la Côte Bleue von Miramas nach Marseille über 60 Kilometer auf einer der schönsten Panoramastrecken entlang der französischen Mittelmeerküste. Unter der Hochbrücke ducken sich ein paar einfache Häuser hin zum Wasser. Boote schaukeln auf den Wellen. Auf den Bänken am Hafenbecken sitzen ein paar Frauen und plaudern, einige Kinder und Hunde spielen im seichten Wasser. Es liegt eine himmlische Ruhe über dem Ort. „La vie est belle“ steht auf einem Schild auf der Hafenmauer.

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Das Restaurant ist eine einfache Kabane mit Holztischen und –bänken unter dem Wellblechdach. Das Restaurant besteht seit 30 Jahren und wird am Wochenende gerne von Familien aus Marseille besucht. Mange-Tout kann man mit „Iss alles“ übersetzen, auch Zuckererbsen heißen im Französischen so. Und Mangetout bezeichnet die kleinen Ährenfische, die hier frittiert mit allem, also mit Haut und Gräten und mit den Händen gegessen werden – sie sind die Spezialität im Le Mange-Tout.

Und die bestellen wir natürlich auch, dazu ein frisches Bier. Mit der Mittagszeit wird es immer voller auf den Bänken. Geschätzt wird das Restaurant für seine einfache rustikale Fischküche ohne Schnickschnack, aber mit einem herrlichen Blick auf die Bucht. Eine randvolle Schüssel mit frittierten Fischchen bringt die nette Bedienung, sie schmecken fast wie die Stinte aus der Elbe! Als Hauptspeise gibt es heute daube de poulpe, Tintenfisch auf provenzalische Art. Ein besonderer Genuss. Ein wunderschöner Ort und ein großartiges Essen, kann man sich mehr wünschen?

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Und dann ist es doch noch mit der himmlischen Stille in dieser kleinen Bucht vorbei. Am Himmel erscheint ein Hubschrauber, der über den Felsen hinter dem Hafenbecken in der Luft rotiert. Nacheinander seilen sich drei Menschen ab und schließlich wird eine Trage zur Erde gelassen. Dass dies keine Übung ist, sondern eine ernste Rettungssituation, wird allen Zuschauern spätestens deutlich, als auch noch drei riesige Feuerwehrwagen über die kleine Zugangsstraße auf den schmalen Kai fahren.

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Die Mittagsesser im Le Mange-Tout verfolgen das Spektakel, während sie ihre gegrillten Doraden entgräten. Die Kellnerin ist nicht aus der Ruhe zu bringen. Sie habe hier schon so manchen Rettungseinsatz miterlebt, erzählt sie, denn die Wanderwege entlang der Küste seien nicht ungefährlich und oft rutschig, so dass Wanderer schnell mal verunglücken. Als der Rettungshubschrauber schließlich einen verletzten Menschen in die Höhe zieht, können wir ihm nur in Gedanken alles Gute wünschen.

Der Rückweg ist deshalb vielleicht nicht mehr ganz so euphorisch. Und doch sind wir erfüllt von all dem Schönen, was wir gesehen haben, und schmecken noch den Fisch auf der Zunge. Und wir nehmen uns vor, bald mal wiederzukommen!

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