L'Isle sur la Sorgue, März 2025

 

Morgens um halb 10 in L’Isle sur la Sorgue: Die Spatzen tschilpen im Garten, die Rotkehlchen singen fröhlich aus der Hecke – und plötzlich ist ein Dröhnen und Rauschen zu hören, das in rasanter Geschwindigkeit lauter wird. Ein Blick nach oben: Acht Düsenflugzeuge in geschlossener Formation durchpflügen das Himmelsblau. Die Patrouille de France, die Kunstflugstaffel der französischen Luftwaffe, absolviert ihren morgendlichen Übungsflug. In der Provence ein alltäglicher Anblick. Das kenn ich auch von früher - in der Zeit des Kalten Krieges donnerten Militärflugzeuge mit Überschallgeschwindigkeit als Zeichen militärischer Präsenz ständig über Deutschland hinweg. Aber das ist lange her.

In Frankreich ist dagegen die Patrouille de France das stolze Aushängeschild der französischen Luftwaffe. Ob zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris 2024, zur jährlichen Parade am Nationalfeiertag über den Champs-Élysées am 14. Juli, am nationalen Gedenktag zum Kriegsende am 8. Mai – zu großen nationalen Ereignissen blicken die Franzosen mit Freude nach oben, wo die Flugstaffel den Himmel in den Farben der Trikolore einfärbt. Stationiert ist die Patrouille acrobatique de France auf dem Luftwaffenstützpunkt 701 in Salon-de-Provence, gerade mal 30 Kilometer von L’Isle-sur-la-Sorgue entfernt.

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Neun Piloten und ein Ersatzpilot gehören zur Staffel. Drei Jahre beträgt durchschnittlich die Dienstdauer. Und so einfach ist es nicht, ins Team zu kommen. Jedes Jahr scheiden drei Piloten aus, drei neue kommen hinzu. Jeder Bewerber muss mindestens 1500 Flugstunden auf Düsenflugzeugen vorweisen und die Qualifikation eines Patrouillenführers besitzen. Die Staffel ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die neuen Mitglieder werden vom Team selbst ausgewählt. Nicht nur Männer setzen sich ins Cockpit: In der Saison 2009/2010 war die französische Jagdfliegerin Virginie Guyot Kommandantin der Patrouille de France und als solche weltweit die erste Frau, die das Kommando einer Kunstflugstaffel hatte.

Die Rollenverteilung in dem Luftballett ist klar definiert. Das Funkrufzeichen lautet Athos. Athos 1 ist für ein Jahr der Kommandant, also der Anführer, der Dirigent der Formationen, er leitet die anderen über seine Stimme an. Die neuen Piloten besetzen im ersten Jahr die Positionen in seiner Nähe, Athos 2 und Athos 3. Athos 4 hat den Spitznamen „Aasgeier“ aufgrund seiner Position: Er fliegt hinter dem Anführer und schluckt buchstäblich dessen Rauch. Und im darauffolgenden Jahr wird er den Platz des Anführers übernehmen. Dahinter fliegen Athos 5 und 6, die ihre Figuren im Duo ausführen. Athos 7 und 8 belegen die Außenpositionen. Der dienstälteste Pilot im Team ist Athos 9: Er kann alle Positionen außer der Führung übernehmen.

Es sind nicht modernste technische Wunderwerke, die dort am Himmel Präzisionsarbeit leisten, im Gegenteil: Seit 40 Jahren fliegen die Piloten wendige Alpha Jets, deren Kanonenbehälter unter dem Flugzeugbauch durch Nebelbehälter ersetzt wurden. Sie werden gewartet und repariert von einem Team bestehend aus rund 30 Mechanikern. Nach alter Tradition wählt der Flugplatzmechaniker sich seinen Piloten selbst aus. Er begleitet ihn dann während der Sommersaison zu allen Meetings und fliegt bei Transitflügen auf dem hinteren Sitzplatz.

Die Jets können eine Geschwindigkeit von bis zu 1000 Kilometern pro Stunde erreichen, bei Formationsflügen fliegen sie zwischen 300 und 800 Kilometer pro Stunde in einer Höhe von etwa 700 Metern – und sie haben dabei einen Abstand von nur zwei bis drei Metern! Während in der Wintersaison, von Oktober bis Mai, Trainingsflüge auf dem Programm stehen, präsentiert die Staffel im Sommer bei Flugveranstaltungen und Flugshows in aller Welt ihr Können. Sie gilt als eine der besten Kunstflugstaffeln der Welt neben den Red Arrows der britischen Royal Air Force, den Blue Angels der amerikanischen Marineflieger und der Frecce Tricolori der italienischen Luftwaffe.

Eine deutsche militärische Jet-Kunstflugstaffel gibt es seit einem schweren Unfall 1962 nicht mehr. Damals verunglückten vier Starfighter, alle vier Piloten kamen dabei ums Leben. Das bestehende Kunstflugteam der Bundeswehr wurden daraufhin aufgelöst, eine Neugründung verboten. Als Reaktion auf das Flugtagunglück von Ramstein am 28. August 1988, bei dem drei Kunstflugmaschinen abstürzten und mindestens 70 Menschen starben, wurden Kunstflugvorführungen in Deutschland zunächst generell verboten, später nur mit vielen Sicherheitsauflagen wieder erlaubt. Eine militärische Kunstflugstaffel mit Düsenflugzeugen war seither erstmals wieder im Jahr 2000 am deutschen Himmel zu sehen: Zur Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin hatte die Patrouille de France ihren Auftritt.

Die Formationsflüge finden dabei in der Regel mit acht Alpha Jets statt, nur zum französischen Nationalfeiertag fliegt die Patrouille das einzige Mal im Jahr mit neun Maschinen. So ist die gleichmäßige Anzahl der Kondensstreifen – drei blaue, drei weiße und drei rote - über den Champs-Élysées garantiert. Wenn nicht gerade wieder ein Fauxpas passiert wie zum 14. Juli 2018, als eines der Flugzeuge falsch beladen war und roten statt blauen Rauch ausstieß. So sahen die Zuschauer in Paris statt der gewohnten Trikolore einen rot-blau-weiß-roten Farbteppich am Pariser Himmel.

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Nachtrag: Ungefähr zeitgleich mit dem Verfassen dieses Beitrags hat sich bei einem Trainingsflug der Patrouille de France ein Zusammenstoß ereignet. Wie Medien berichteten, sind am 25. März gegen 15.35 Uhr in der Nähe von Saint-Dizier in Ostfrankreich zwei Alpha Jets zusammengestoßen, als die Kunstflugstaffel gerade eine klassische Flugfigur übte. Die beiden Piloten sowie ein Passagier, die in den beiden Maschinen saßen, konnten sich mit dem Schleudersitz retten. Eine der Maschine soll beim Absturz auf eine Zementfabrik gestürzt sein, auf dem Firmengelände brach daraufhin ein Feuer aus, das aber schnell gelöscht werden konnte. Die Unglücksursache für die Kollision soll nun ermittelt werden. Der letzte ähnliche Unfall der Patrouille, bei dem zwei Flugzeuge beteiligt waren und die Piloten sich mit Fallschirmen retten konnten, ereignete sich laut Berichten im Februar 1991.

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