L'Isle sur la Sorgue, 27. November 2024

 

Wir öffnen wieder! Seit Wochen hängen die Plakate überall in der Stadt. Selbst unser Klempner, der nun wirklich nicht den Eindruck macht, dass er selbst seinen Kühlschrank füllt, berichtete uns davon. Und seitdem der Zaun vor der Baustelle entfernt wurde und man im Vorbeifahren einen Blick auf den Neubau werfen konnten, waren irgendwie alle aufgeregt: So ein großes Gebäude! Mit mehreren Etagen. So chic und modern! Und diese riesige Panoramafensterfront! Kein Wunder also, das heute selbst zur Mittagszeit, wenn in der Stadt eigentlich nicht viel los ist, jeder der neuen Parkplätze besetzt war. Denn: Unser neuer Supermarkt wurde eröffnet.

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L’Isle sur la Sorgue mangelt es nicht an Geschäften. Wir haben, neben einigen kleineren Shops, einen Super-U, einen Intermarché und einen Aldi, den Baumarkt nicht zu vergessen! Und bis vor drei Jahren hatten wir auch einen Lidl. „Lidääl“, wie die Provenzalen hier sagen. Der Discounter war häßlich, eng, ziemlich dunkel, abgewrackt. Drei schmale Gänge, drei Kassen. Die Lidl-Geschäfte in der Umgebung, in Carpentras und Cavaillon, waren eindeutig attraktiver. Dann wurde der Lidl geschlossen und das Gebäude abgerissen. Ein Neubau seit geplant, hörte man. Doch der ließ auf sich warten. Lange tat sich gar nichts, und dann - Anfang des Jahres – wurde der Bauzaun aufgestellt.

Lidl ist nach Anzahl der Filialen der größte Discounter-Konzern der Welt. 1600 Filialen mit einem Nettoumsatz von über 14 Milliarden Euro betreibt das deutsche Unternehmen der Schwarz-Gruppe in Frankreich – zum Vergleich: In Deutschland sind es laut Wikipedia derzeit über 3250. Und Lidl wird im Hexagon immer beliebter. Regelmäßig wird die Einzelhandelskette für sein Angebot an frischen Lebensmitteln in der Kategorie Supermärkte ausgezeichnet.

Laut Eigenwerbung verkauft Lidl Frankreich in seinen Discountern zu 72 Prozent Waren aus dem eigenen Land. Es gibt aber auch die Eigenmarken des deutschen Unternehmens, und das unterscheidet den Supermarkt von den anderen in der Region: Nirgendwo kann man jetzt, in der Vorweihnachtszeit, richtige „deutsche“ Lebkuchen, Spekulatius, Stollengebäck kaufen. Aber bei Lidl. Und deshalb konnten wir es tatsächlich kaum erwarten, dass wir endlich wieder einen eigenen Lidl bekommen…

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Der Neue kann sich sehen lassen. Der Markt mit 1200 Quadratmeter Fläche ist als Ökobau zertifiziert, das Dach ist mit einer 700 Quadratmeter großen Photovoltaikanlage bestückt. Von den 136 Parkplätzen befinden sich 62 im Souterrain. Überall stehen an diesem Eröffnungstag Ordner mit gelben Jacken, die die mobilisierten Kunden durchwinken und die Richtung zeigen. Vom Souterrain führt ein Einkaufswagen-Fahrsteig, wie man ihn von Flughäfen kennt, in den Verkaufsraum. In Avignon und anderen großen Städten vielleicht nichts Ungewöhnliches, aber für L’Isle sur la Sorgue ist diese Rolltreppe schon ein Ereignis an sich. Wir treffen auf eine ältere Dame aus unserer Nachbarschaft, eine kleine zierliche Frau, die fast hinter dem großen Einkaufswagen verschwindet, und sie freut sich sichtlich über unsere Begleitung die Rolltreppe hinauf: „Ich hatte ein bisschen Angst, mit dem Einkaufswagen hier hochzufahren“, sagt sie.

Oben auf der Verkaufsebene angekommen, reicht eine junge Frau zur Begrüßung jedem Kunden eine große schwarze Tüte mit goldener Schrift: I love Lidl. Dann drängeln wir uns mit dem Wagen durch die Gänge, vorbei an Familien mit kleinen Kindern, die zwischen den Regalen spielen, denn mittwochs haben die Grundschüler in Frankreich frei. Aber ebenso ältere Semester aus dem benachbarten Gymnasium nutzten anscheinend die Mittagszeit für einen ersten Besuch.

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Käse, Fleisch und Joghurt in den Kühlvitrinen, weihnachtliche Sonderregale für das weihnachtliche Festmenü mit Entenleberpasteten, Confits, Champagner, und das übliche Wochenangebot mit Bohrmaschinen und Werkzeugkästen, Sneaker in Lidl-Farben… Wir bestaunten das Sortiment, als hätten wir noch nie einen Supermarkt besucht, und müssen über uns selbst lachen. Diese glänzenden Vitrinen, alles noch so neu, so sauber, so nett arrangiert! Die meisten Menschen, die uns begegnen, tragen eine Lidl-Weste.

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Schließlich stehen wir vor einer der sechs Kassen, dazu gibt es sogar sechs Selbstbedienungskassen. Wir werden von einem jungen Mann bedient, Thomas steht an seiner Weste, und während er unsere Waren über das Band zieht, nimmt er schon die erste Reklamation an und ordert bei einer Kollegin den Schlüssel für das Kunden-WC. Wir hatten eigentlich fast gar nichts auf unserer Einkaufsliste stehen!

Und was war das nun? Kein Volksfest, kein Kulturevent, kein Einkaufstempel, keine Verkaufsaktion, keine Geschenke, von der schwarzen Tüte abgesehen. Nein, es war nur eine simple Supermarkt-Eröffnung. Und doch war gefühlt die halbe Stadt gleich am ersten Tag dort. Ereignisse muss man nun mal teilen.

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