L'Isle-sur-la-Sorgue, 19. Juni 2024

 

Das olympische Feuer erreicht am Mittwoch, 19. Juni, die Provence. Die Reise durch das Departement Vaucluse führt von den ockerfarbenen Steinbrüchen in Rustrel nach Apt. Um 11.30 Uhr startet die nächste Etappe in L’Isle-sur-la-Sorgue. Also bei uns! Startpunkt: am Campingplatz. 3,3 Kilometer wird die Flamme von 16 verschiedenen Läufern einmal rund ums alte Zentrum der Stadt getragen. Ein Ereignis der Sportgeschichte, das wir nicht verpassen wollen.

Also schwingen wir uns rechtzeitig aufs Rad. Schon seit Wochen wird in der Stadt der Plan aller weiträumig gesperrten Straßen für diesen Tag verbreitet, die Parkplätze in der Innenstadt sind seit Sonntag gesperrt. Kein Wunder also, das zu dieser Mittagszeit nur Radler und Fußgänger unterwegs sind. An der Esplanade Robert Vasse ist jedoch Schluss: Polizisten stehen auf der gesperrten Hauptstraße, auf der sonst reger Verkehr herrscht, und verhindern ein Weiterkommen. Die Frauen und Männer in kugelsicheren Westen sind charmant, aber konsequent, selbst Fußgänger dürfen nicht von einer Bürgersteigseite auf die andere wechseln. Alle warten.

FlammeZuschauer

Das olympische Feuer ist seit dem 8. Mai im Land unterwegs. Entzündet am 16. April im Heiligtum von Olympia in Griechenland, steht das Friedenssymbol auch für die Verbindung zwischen den Olympischen Spielen der Antike und der Neuzeit. An Bord eines Dreimasters überquerte es das Mittelmeer und kam nach Marseille. Bevor es am 26. Juli bei der Eröffnungsfeier den Feuerkessel der Olympischen Spiele in Paris entzündet, wird die Flamme traditionell von Fackelträgern – ausgewählten Menschen, die sich in der jeweiligen Region verdient gemacht haben oder sich besonders engagieren - durch das ganze Gastgeberland getragen. Auf dieser 69-tägigen Reise über 12 000 Kilometer reichen rund 10 000 Läufer die Fackel weiter durch alle Regionen Frankreichs mit Stationen auf Korsika und in den Überseegebieten. Nach Abschluss der zwei Wettkampfwochen beginnt dann ein zweiter, kleinerer Fackellauf mit 1000 Läufern bis zur Eröffnungsfeier der Paralympics am 28. August.

Die Stimmung in L’Isle-sur-la-Sorgue ist locker und heiter bei 30 Grad in der Sonne. Eine Sängerin, begleitet von einem Gitarristen, sorgt für musikalische Stimmung, bei „Knockin’ on Heavens’s Door“ wippen die Zuschauer mit. Viele kleine Kinder mit ihren Eltern säumen den Straßenrand – in Frankreich haben Schüler bis zur fünften Klasse mittwochs schulfrei. Vor der örtlichen Filiale der BPCE Banque Populaire werden Strohhüte verteilt – die Bank ist ebenso wie die Sparkasse Caisse d’Epargne und Coca-Cola Werbepartner des Fackellaufs. Etwa alle 20 Meter steht ein Polizist auf der Straße und achtet darauf, dass niemand über den Bürgersteig tritt. Ist die ganze Tour des Fackellaufs so abgesichert, frage ich die nette Polizistin, die vor uns steht, und sie nickt – „ja, zur Sicherheit!“

FlammePolizistin

Tatsächlich wird das olympische Feuer in Frankreich aus Sorge vor politisch motivierten Störungen in einer „Sicherheitsblase“ von rund 100 Polizisten geschützt, die mobile Polizeieinheit ist vor und hinter dem Konvoi postiert. Wie Innenminister Gérard Darmanin schon Anfang des Jahres mitgeteilt hatte, sorgen innerhalb dieser Blase 18 Polizisten in Zivil für den Nahschutz des jeweiligen Läufers.

Seit mehr als 20 Minuten warten wir schon in der Sonne, da kommt Unruhe auf. Weitere Polizisten auf Motorrädern kommen über die gesperrte Straße. Gendarmerie. Dann zwei Polizisten auf dem Rad, „ça va“, fragt der eine in die Menge –„alles gut? Ist es nicht zu heiß?“ Vielleicht sind sie für die Kommunikation mit dem Volk abgestellt?

Dann, mit großem Getöse, ziehen riesige offene Wagen um die Kurze – die Werbepartner. Vom ersten Wagen verteilen tanzende junge Menschen Fanartikel der Banque Populaire und der Sparkasse, dann folgt, mit viel Musik, ein Coca-Cola- Wagen. Die kleinsten Zuschauer dürfen Fußbälle vom Gehweg aus in das Netz im Wageninnern werfen. Von einem weiteren Wagen verteilen junge Frauen kleine Dosen mit Eistee der Marke Fuze Tea, das Produkt gehört ebenso zur The Coca-Cola Company. Das kleine Mädchen neben mir bekommt eine Dose in die Hand gedrückt. Lecker, findet sie.

FlammeBus

Große Busse mit dem Emblem der Olympischen Spiele 2024 ziehen vorbei, dann wird der Polizeikonvoi dichter. Es folgen mehrere Mannschaftswagen der Police national. Hubschrauber kreisen in der Luft. So sieht also die sogenannte Sicherheitsblase aus. Die Seitentüren der Autos stehen offen, die Männer in voller Montur und mit dunklen Sonnenbrillen winken lachend im Vorbeifahren den Menschen am Straßenrand zu. Fast möchte man meinen, dies sei eine Polizeiparade.

FlammePolizei

Immer mehr Fotografen sind zu sehen und künden die Ankunft der Läufer an. Jetzt kommt Begeisterung unter den Zuschauern auf, sie klatschen und jubeln.

Flamme

Mitten im Läufertross trägt eine dunkelhaarige junge Frau mit einem Pferdeschwanz die Fackel, sie hält sie hoch, dreht sich mal mehr nach rechts, dann nach links, strahlt. Hört man es knistern? Die olympische Begeisterung springt jedenfalls über! Aber viel zu schnell ist sie vorbei, und dann sieht man schon die Rücken der Läufer.

Flammenah

In dem ersten Bus, der den Staffelträgern folgt, sitzt vorne auf der Beifahrerseite ein Mann, der eine Art Grubenlampe in der Hand hält. In ihr ist auch eine Flamme zu sehen. Denn es ist gar nicht selten, dass das Feuer einer Fackel auch mal verlischt, deshalb werden immer mehrere Flammen aus Olympia mitgeführt. Als einmal bei den Sommerspielen 1976 im kanadischen Montreal die Flamme durch einen Sturm ausgeblasen wurde, zündete ein Helfer es mit seinem Feuerzeug wieder ein - ein Fauxpas, der gleich korrigiert wurde: IOC-Funktionäre löschten das Feuer und entzündeten es mit der „richtigen“ Flamme erneut.

FlammeFotograf

Kaum sind die Fackelläufer aus der Sicht, kommt Bewegung in die Menge. Die Menschen strömen durcheinander, die weiteren Busse und Teilnehmer dieser Parade interessieren nicht mehr. Ein Mädchen mit einem Plastiksack sammelt die Eisteedosen wieder ein. Wir schwingen uns auf unsere Räder: „Halt, absteigen und schieben, die Straße ist noch nicht wieder freigegeben“, ruft ein Polizist. Muss man nicht verstehen…

Die Route der Läufer führt in einem Kreis einmal um die Altstadt. An einem Wasserbecken der Sorgue, dem Bassin Bouïgas, endet der Fackellauf für L’Isle sur la Sorgue. Dort kommen wir auf unserem Weg noch vorbei, die Kreisverkehr ist gesperrt, die Menschen drängeln sich. Vor der Musikschule hat sich ein ganzes Orchester aufgestellt und musiziert. Eine Bekannte aus der Stadt steht am Rand mit dem Enkelkind auf dem Arm: War das nicht toll?, fragt sie. So berührend! Das kleine Kind johlt.

FlammeHotel

Und wieder kommt die Wagenparade vorbei, die Fanartikel-Wagen, Coca-Cola, die Polizei, die Läufer. Den besten Blick darauf haben die Bauarbeiter, die vom dem Dach eines Rohbaus für ein Luxushotel, das dort gebaut wird, dem Spektakel zusehen. Es dauert, bis der Kreisverkehr wieder geöffnet wird für die Fußgänger und die Radfahrer. Zu allerletzt kreisen Polizeiwagen, die ihre auf der Straße postierten Kollegen wieder einsammeln. Die Flamme hat L’Isle-sur-la-Sorgue längst verlassen und ist auf dem Weg hinauf auf den Mont Ventoux und wieder hinunter nach Avignon, wo die Ankunft der Flamme mit einem Livekonzert eines bekannten DJs gefeiert wird.

Auf dem Handy poppt eine Nachricht einer Freundin auf: Sie hat die Fackelübergabe in Apt gefilmt. Die olympische Begeisterung, sie ist an diesem 19. Juni im Vaucluse offensichtlich übergesprungen.

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