Avignon, März 2024
Was mache ich hier eigentlich? Ich stehe im Staub und um mich herum: Autos. Alte, neue, große, kleine. Und viele, viele Autofans. Ich gehöre, um es gleich zu sagen, eigentlich nicht dazu. Ich mag alte Wagen wenn sie schön sind, und ansonsten Autos, die fahren. Und nun stehe ich inmitten der Automesse „Motor Passion“ in Avignon und staune über eine Welt, die in meinem Leben bisher nicht so wirklich vorkam.
Um hierher zu gelangen, muss man erst einmal mit vielen anderen Autos im Stau stehen… An diesem sonnigen Sonntag haben sich viele Menschen auf den Weg zum Ausstellungsgelände am Stadtrand gemacht. Wer in einem schönen, alten oder speziellen Fahrzeug kommt, darf aufs Messegelände fahren und dort parken. Und so wird der staubige Platz zwischen den Hallen selbst zum Ausstellungsgelände, auf dem das Publikum die fahrbaren Untersätze der anderen Besucher bestaunen kann. Mir fällt als erstes ein alter verbeulter Bulli auf. Als ich klein war, war der VW-Bus für mich das größte Auto, das ich kannte. Die Dimensionen haben sich seither enorm verschoben.
Mit jedem einfahrenden Gefährt wird eine neue Staubwolke aufgewirbelt. Lautes Motorgeheul übertönte die Ansagen aus dem Lautsprecher; auf einer abgesperrten Strecke finden zum Publikumsvergnügen verschiedene Vorführungen statt. Die ersten Hallen dagegen führen in die Vergangenheit: alte Lastwagen, Militärfahrzeuge, Landmaschinen. In Erinnerung an den Ersten und Zweiten Weltkrieg sind verschiedene Szenarien aufgebaut mit den historischen Militärfahrzeugen jener Zeit
Vor der größten Halle steht sogar ein Panzer – ein verstörender Anblick. Der Panzer stammt aus dem Jahr 1944 und wurde 2012 von Brad Pitt in dem Film Fury gefahren, lese ich. Mir gefallen die alten Traktoren besser. Die ältesten Modelle haben noch eine Kurbel zum Starten. Und wer hätte das gedacht: Es gab sogar Trecker von Porsche!
400 Aussteller und Sammler mit über 2000 Maschinen zeigen an drei Tagen ihre Lieblinge.
Alle möglichen Arten von Oldtimern sind in den zwölf Messehallen vertreten: Vorkriegs- und Nachkriegsautomobile, einschließlich der neuesten, wenn sie Ausdruck von besonderer Leidenschaft sind; Rennwagen, Motorräder, sogar zwei Boote. Viele schöne alte MGs – die britische Automarke hat in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag.
Die Karosserien der glänzend lackierten Oldtimer und Rennwagen funkeln im Licht.
Besuchertrauben stehen um Luxuslimousinen mit glitzernden Kühlerfiguren, die man sonst nicht so oft so nah zu sehen bekommt – es sind, nicht ganz unerwartet, vor allem männliche Bewunderer, aber auch viele Familien mit Kindern unterwegs.
Ein beliebtes Fotomotiv sind die avantgardistischen Automonster wie der Kimera EVO 38, der gerade auf dem Genfer Autosalon erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Sieht aus, als könnte er auch in die Luft abheben. 600 PS, nicht unter einer halben Million zu haben…
Viel Raum nehmen die Autoflohmärkte ein. Es riecht nach Werkstatt und Öl, die Zubehörteile stammen aus allen möglichen Zeiten, manche scheinen geradewegs vom Schrottplatz zu kommen. Ganze Hallen sind gefüllt mit Verkaufsständen, mit kleinsten Schrauben und Schläuchen, Miniaturmodellen, Serviceangeboten, Plaketten, Schutzhüllen.
Die Autowelt mit allen Zutaten ist scheinbar unbegrenzt. Am längsten stehen wir an einem Stand und schauen dem Verkäufer zu, der unermüdlich einen Superkleber präsentiert. Immer wieder bricht er Keramikstücke in der Mitte durch, klebt sie – und schon wenige Sekunden später sind die beiden Teile nicht mehr zu trennen.
Und: Wir sind ja in Frankreich! Also gibt es auf dem Gelände auch ein vielfältiges kulinarisches Angebot mit zahlreichen Imbissbuden, Burgern, Sandwiches, Pommes, Bier, Salami und Käse und davor zur Mittagszeit lange Warteschlangen. Als wir nach drei Stunden im Schlendergang über das Gelände mit einem Getränk in der Hand noch einen Platz an einem Tisch in der Sonne ergattern, werden die Bistrostände schon wieder abgebaut.
Der Wind hat dagegen zugenommen, eine riesige Staubwolke zieht über uns hinweg und legt alle glänzend polierten Old- und Youngtimer, Rostlauben und Limousinen unter eine weiße Schicht. Danach sehen alle irgendwie gleich staubig aus. Die Autos… und die Menschen.