Fontaine-de-Vaucluse, März 2024

 

L’Isle sur la Sorgue ist, wie der Name sagt, eine Insel in der Sorgue. Die Sorgue, das ist ein majestätischer Fluss, der durch wunderschöne Dörfer der Provence fließt und die Entwicklung und den Reichtum der Region maßgeblich mitbestimmt hat. Der Fluss versprüht immer eine kühle, frische Energie, das reine und klare Wasser hat zu jeder Jahreszeit eine konstante Temperatur von rund 13 Grad. Denn nur wenige Kilometer vor L’Isle sur la Sorgue erblickt die Sorgue das Licht der Welt: Der Fluss entspringt aus einer Tiefe in Fontaine-de-Vaucluse. Und dieser Ort bietet, je nach Jahreszeit und Wetterverhältnissen, ein besonderes Schauspiel.

So viel Wasser, wie dort in diesen Tagen aus der Quelle sprudelt, ist jedenfalls selten zu sehen. Es hat im März viel geregnet, der Regen hat die unterirdischen Wasserläufe gespeist. Und aus dem Quelltopf am Fuße einer 230 Meter hohen Felswand ergießt sich ein wilder, ungestümer Fluss. Um es in Zahlen zu sagen: Bis zu 63 300 Liter pro Sekunde ergießen sich in diesen Märztagen aus dem Quellloch, wie Jackie Morenas und ihr Sohn Christophe, die die Facebook-Seite „Fontaine de Vaucluse“ betreiben, notiert haben. Mehrmals in der Woche kontrollieren sie das sogenannte Sorgometer, eine speziell für die Sorgue entwickelte Skala, mit der die Strömungsrate und der Wasserstand gemessen werden. Der durchschnittliche Wasserablauf liegt gewöhnlich bei 21000 Liter pro Sekunde. Das Wasser im Quelltopf steht so hoch wie zuletzt 1950.

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Rund 630 Millionen Kubikmetern Wasser sind es in normalen Jahren insgesamt: Gemessen an der Menge des abgeflossenen Wassers ist die Quelle des Vaucluse damit die größte Frankreichs und eine der größten der Welt. Und das lockt natürlich Besucher: Fontaine-de-Vaucluse gehört mit bis zu einer Million Besuchern im Jahr zu den beliebtesten Touristenzielen der Provence.

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Der Fußweg entlang der Sorgue zur Quelle wird gesäumt von vielen kleinen Souvenirläden, Eisbuden und Snackbars. Mehrere kleine historische Museen und eine alte Papiermühle laden zu einem Abstecher. Das Flusswasser ist tief grün und verströmt eine spürbare Energie, Enten paddeln in der Flussmitte. An heißen Sommertagen bieten die riesigen Platanen am Ufer ein kühles Schattendach. Jetzt sind sie noch blätterlos. Schroffen Felsen überragen das schmale grüne Tal. Eine Burgruine aus dem 12. Jahrhundert erhebt sich dort oben auf einem Felssporn.

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Wie steht das Wasser in der Quelle? In Fontaine-de-Vaucluse weiß man nie, was einen erwartet, und auch das macht die Besonderheit des Ortes aus. Mal ist das Flussbett trocken, mal fließt ein kleines Rinnsal, mal ein ruhiger Fluss, dann wieder ein rauschender Wildbach die Steine hinunter. Oft sind die Besucher enttäuscht, wenn die Flusssteine vermoost und trocken im letzten Teil des oberirdischen Wasserbeckens liegen. Die Sorgue tritt im Sommer und Winter dann erst einige hundert Meter unter dem Quelltopf aus der Erde ins Flussbett.

Gespeist wird das riesige unterirdische Wassernetz der Sorgue aus dem versickerten Regen und der Schneeschmelze des südlichen Mont Ventoux und der umliegenden Gebirgszüge, der einzige Wasseraustritt für dieses Gebiet von 1240 Quadratkilometern Größe ist in Fontaine-de-Vaucluse. Der Fußweg zum Quelltopf endet vor schroffen Felsen. Absperrungen warnen vor Steinschlag aus der Höhe, wo zerklüftete Klippen die Felsenkanten säumen. In den Abendstunden dieses Tages leuchten sie golden hell in den späten Sonnenstrahlen, während das Tal schon im Schatten liegt. Aus der dunklen Tiefe heraus ist der Blick hinauf überwältigend. Und seltsamerweise würde ich mich gar nicht wundern, wenn dort oben, auf den Felsklippen, gleich Indianer mit ihren Pferden auftauchen. Genau so sah doch die Filmkulisse in den Winnetou-Filmen aus…

Die Grotte hinter einer Absperrung ist in trockenen Zeiten ein tiefes Loch in der Steinwand, in dem ja nach Witterung das blaue Wasser mehr oder weniger hochsteht.

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An diesem Märzabend ist der Quelltopf nur zu erahnen, die Bäume rundherum stehen im Wasser. Zunächst noch ruhig, fließt das Wasser von dort in wild tosenden Fluten hinab, es schäumt weiß auf, gurgelt und versprüht dabei eine gewaltige Energie. Ein Naturspektakel, das selten ist. 

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Tief, sehr tief unter der Erde ist die Quelle gegründet. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat es immer wieder Versuche gegeben, den Grund ausfindig zu machen. So machte sich im August 1946 der Taucher und Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau daran, bei verschiedenen Tauchgängen das unterirdische Höhlen- und Quellsystem zu erforschen. Cousteau kam 46 Meter tief, 1957 erreichte er 80 Meter. 1983 gelang dem deutschen Höhlentaucher Jochen Hasenmayer eine Meisterleistung: Er tauchte allein, unterstützt von seiner Frau und mit 50000 Liter Atemgas in einer 400 Kilo schweren Ausrüstung und kam während des neunstündigen Tauchgangs auf eine Tiefe von 205 Meter.

Am 2. August 1985 setzte schließlich ein Tauchroboter auf dem Sandboden in 315 Metern Tiefe auf. Die Quellhöhle ist somit laut Wikipedia die tiefste der Erde.

Doch das kleine Dorf Fontaine-de-Vaucluse mit gerade mal 700 Einwohnern hat noch viel mehr zu bieten als Wasser. Alt sind das Tal und seine Quelle, und alt ist auch der Ort. Dass in der Grotte immer wieder antike Münzen gefunden wurden, spricht dafür, dass schon zu frühester Zeit dort eine Quellgottheit verehrt wurde.

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Und auch die Kirche Saint-Véran mit dem Grab des Heiligen wurde an die Stelle eines alten Wasserheiligtums errichtet. Der Bau im romanisch-provenzalischen Stil aus dem 11. Jahrhundert steht zudem auf einem noch älteren karolingischen Fundament, auch einige Fragmente aus dieser Zeit finden sich noch. So wurde der Altar im 6. Jahrhundert in eine Grabplatte aus dem ersten Jahrhundert geschnitzt. Der Sarkophag des heiligen Véran (513-590) stammt ebenfalls aus dem 6. Jahrhundert. Der Legende nach rettete Saint Véran, der Bischof von Cavaillon, das Land vor dem furchterregenden Drachen Coulobre, der auf dem Weg zur Quelle lebte: Dem Heiligen gelang es, die feuerspuckende Bestie zu zähmen und anzuketten.

Fontaine de Vaucluse ist zudem Pilgerort für Literaturliebhaber: Dort nämlich ließ sich der italienische Dichter Francesco Petrarca (1304-1374) im 14. Jahrhundert nieder und verfasste einen Großteil seiner Gedichte. Weit weg vom weltlichen Leben, in der Einsamkeit des Tales, brachte er mit seinen Liebensgedichten zu einer gewissen Laura, die er unglücklich aus der Ferne liebte, Weltliteratur zu Papier. Sein Wohnhaus ist heute ein Museum. Zu seinem 500. Geburtstag wurde 1804 eine Säule in der Mitte des Dorfes errichtet.

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Jede Menge Sehenswürdigkeiten hat dieses kleine Dorf zu bieten – nicht zu vergessen das Aquädukt von 1857 am Eingang zu diesem engen geschlossenen Tal. Vallis Clausa, geschlossenes Tal, so hieß Fontaine-de-Vaucluse im Mittelalter, und daraus entstand das Wort Vaucluse, das heute das Gebirge und das Departement bezeichnet. Die Quelle des Vaucluse, sie ist ein besonderer Ort mit einer unglaublichen Schönheit der Natur, die Energie des Wassers sorgt dort für ein ganz besonderes Klima. Und die Sorgue, sie hat dort scheinbar ihre eigenen Regeln, mal ist sie trocken, mal ruhig, mal wild – und dafür lohnt sich immer wieder ein Besuch.

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