Am Pont Julien, August 2018

 

Bilder vom tragischen Einsturz der Morandi-Brücke in Genua füllen noch immer die Zeitungsseiten, 43 Menschen kamen dabei am 14. August ums Leben. Die Suche nach den Ursachen für den Einsturz des gerade einmal  50 Jahre alten Bauwerkes hat gerade erst begonnen. Gedanken daran kommen einem unwillkürlich in den Sinn, wenn man zum Beispiel vor einer alten Brücke steht. In diesem Fall vor der Pont Julien in der Provence: Die kleine römische Steinbogenbrücke bei Bonnieux ist über 2000 Jahre alt.

Im Vergleich zur bekannteren Pont du Gard, dem römischen Aquädukt im benachbarten Département Gard, ist der Pont Julien im Vaucluse nur eine bescheidene Mini-Ausgabe. Und dennoch ist diese kleine Brücke für sich eine technische Meisterleistung der Antike. Um 27-14 vor Christus wurde sie errichtet als Teil der Via Domitia, der ältesten Straße Frankreichs, die einst Rom mit den spanischen Provinzen verband.  Zwischen 120-118 v.Chr. quer durch die römischen Provinz Gallia Narbonensis erbaut, verband die Kopfsteinpflasterstraße Narbonne auf der iberischen Halbinsel mit Italien, um Handelsgüter, Nachrichten und Truppen auf dem schnellsten Weg zu befördern. Benannt wurde sie nach dem Prokonsul Domitius Ahenobarbus, der den Bau in Auftrag gab. Sie ist Teil eines kunstvoll geplanten geradlinigen Straßennetzes, mit dem die Römer ihr weitreichendes Reich strategisch und organisatorisch durchzogen.

Im Verlauf orientieren sich die Straßen in der Provence noch immer an den alten Römerstraßen. Am Wegrand finden sich immer wieder alte Steinquader, und an so mancher Straßenkreuzung erinnert ein Gedenkstein an die geschichtsträchtige Straße.

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Der Pont Julien ist das größte Bauwerk auf dem provenzalischen Abschnitt der alten Römerstraße. Drei steinerne Bögen, der mittlere mit einer Spannweite von 16 Metern, überspannen den kleinen Fluss Calavon, der sich an diesem Augusttag nur als kleiner Rinnsal präsentiert. Dass er sich auch in einen sprudelnden wilden Wasserlauf verwandeln kann, davon zeugen die Bogenöffnungen, die einem möglichen Hochwasser trotzen sollen. Besucher picknicken am Uferrand und genießen den Blick in die Ferne auf den Mont Ventoux.

Mit etwas Fantasie sehen sie durch die Jahrtausende hindurch die Kohorten der römischen Soldaten, die im Marschschritt über die Brücke stiefelten. In ihrem Gefolge vielleicht kaiserliche Beamte, Handwerker und Händler mit ihren Transportwagen und Ochsenkarren, Frauen und Kinder, aber auch Gefangene und Sklaven. Wie viele Füße mögen in den Jahrtausenden über diese Brücke gelaufen sein? Im Mittelalter kommen noch die Pilger hinzu, die über die Via Domitia zum spanischen Jakobsweg gelangten. Erst viel viel später rollte die ersten Automobile über die alte Steinbrücke. Es machte ihr anscheinend nichts. Bis vor wenigen Jahren hielt sie den täglichen Auto- und Lastwagen-Kolonnen stand. Erst seit 2005 wird sie von einer kleinen Umgehungsstraße entlastet, Pferdestärken sind seither von der Brücke verbannt. Und das in jeglicher Hinsicht: Pferden ist das Betreten laut Hinweisschild ausdrücklich verboten.

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