Ein Krippenbesuch, 17. Februar 2021

 

Die Vögel zwitschern wie verrückt. Die Hyazinthen und Tulpen schieben sich aus dem Boden, und die Mittagssonne wärmt schon wie zu Ostern. Wer denkt jetzt noch an Weihnachten? Heiligabend liegt gefühlt schon Monate zurück. Aber es gibt noch Orte, an denen Weihnachten ganz präsent ist. Bei Monique zum Beispiel, einer Französin im Ort: Sie empfängt noch Tag für Tag Gäste, um ihre Weihnachtskrippe zu präsentieren. Und weil so viele Freunde und Bekannte aus Nordfrankreich und wer weiß woher in Coronazeiten noch nicht da waren und ihr Kommen erst in den nächsten Wochen angekündigt haben, steht die Krippe dort noch bis zum 6. März.

Und so klingele auch ich im schönsten Sonnenschein an der Haustür von Monique, um mir – zur Unzeit und mit der Maske vor der Nase – noch mal eine Krippe anzusehen. Schon im vergangenen Jahr waren wir zu Besuch, um die Santons, die typisch provenzalischen Krippenfiguren, zu bestaunen. Damals belegte die Krippenlandschaft etwa zwei Drittel des Wohnzimmers. In diesem Jahr ist das Szenarium noch größer. Monique hat alle Tische des Hauses zusammengeschoben und darauf ihre Weihnachtsgeschichte gestaltet. Es bleibt gerade noch ein schmaler Gang vor dem Schrank an der Wand. Eine Weihnachtstanne passte nicht mehr hinein, erzählt Monique. Ihre Couch hat sie über den Winter ihrem Sohn überlassen. Zwei Sessel und der Fernseher stehen geduckt neben dem blinkenden und plätschernden Aufbau und wirken fehl am Platz. Dabei hatte Monique noch nicht einmal alle Kisten ihrer Sammlung ausgepackt. Auf dem Dachboden und in einer Scheune stehen noch etliche, sagt sie. Die Wasserräder zum Beispiel seien in diesem Jahr gar nicht zum Einsatz gekommen.

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Dafür drehen sich die Windräder der Mühle, durch das provenzalische Dorf plätschert das Wasser durch den Bach und aus dem Brunnen. Ein ganzes Dorfleben aus vergangener Zeit hat Monique aufgebaut. Da ist der Bäcker, in dessen Backofen ein Licht glüht, und ein Café, vor dem die Gäste an den Tischen sitzen, die Roséflaschen schon halb leer. Am Rathaus weht die Trikolore, und der Schuster sitzt in seiner Werkstatt, die Schuhe liegen um ihn herum. Den Schuster habe es bis vor einigen Jahren in L’Isle sur la Sorgue wirklich gegeben, sie habe seinen Laden nachgebaut, erzählt Monique. Nur dass die echte Werkstatt noch viel unordentlicher war. Aber dann hätte man den schönen Fliesenboden nicht gesehen.

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Auch für andere Figuren hat sie Vorbilder: den Provenzalen zum Beispiel, der mit weißem Hemd und brauner Weste, ein Bier in der Hand, in einem Kahn steht: Früher war er für die Sauberkeit der Gewässer im Ort zuständig. Er sei ein Trinker gewesen. Und – wie lange ist es her, acht Jahre? – da fand man ihn ertrunken am Ufer der Sorgue.

Viele der Santons sind schon sehr alt. Das Kunsthandwerk wird heute kaum noch betrieben, sagt Monique, sie selbst hat viele der Tonfiguren mit ihrer traditionellen Kleidung des 19. Jahrhunderts auf Märkten oder im Internet gefunden. Und inzwischen fertigt sie die Santons auch schon selbst. Ihr macht es vor allem Spaß, das Drumherum zu gestalten, die Häuser zu bauen, die Mauern, die Kleider zu nähen und die Landschaft zu gestalten. Dafür plündert sie ihren Garten, beschneidet ihre Hecken, pflückt Lavendel, den dann in ihrer Krippe die Bäuerin auf dem Feld erntet. Es gibt einen Bouleplatz, natürlich einen Weinkeller, und vor der Kirche steht ein frisch vermähltes Paar. Über den Marktplatz flanieren die provenzalischen Damen mit ihren langen Kleidern und den Sonnenschirmen. Vor der Krippe rastet sogar ein orientalischer Elefant. Und über allem blinkt der Weihnachtsstern in bläulichem Licht. 43 Steckdosen sind unter der Krippenlandschaft verborgen. 16 Tage hat Monique gebraucht, um ihre Krippenlandschaft aufzubauen. Abbauen geht schneller, fünf Tage veranschlagt sie.

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Monique nimmt keinen Eintritt. Auch Spenden weist sie ab. Ihre größte Freude ist es, die staunenden Augen ihrer Besucher zu sehen. Und dabei steht sie selbst vollkommen begeistert vor ihrem Werk und ergötzt sich an den unzähligen liebevollen und kleinen Details. Im Geschirrschrank hat sie die Teller und Tassen ausgeräumt und dort die größeren Figuren in Szene gesetzt. Für die nächste Krippe plant sie schon vor, sie zeigt uns eine kleine Tonfigur, an der sie gerade arbeitet. Im nächsten Jahr soll ihre Krippe noch größer werden.

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Nach einer halben Stunde in dem abgedunkelten und blinkenden Wohnzimmer stehe ich wieder blinzelnd im hellen Licht und reibe mir die Augen. Es ist der 17. Februar. Aschermittwoch! Die warme Sonne umfängt mich wohlig. Alles hat seine Zeit, wie wahr. Jetzt freue ich mich umso mehr auf den Frühling, auf Ostern. In zehn Monaten ist wieder Heiligabend, wir haben Monique versprochen, dann mal wieder vorbeizukommen. Aber das ist noch lang hin….

 

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